Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

500 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 129. 
Beamte bedürfen zum Eintritt in den Reichstag keines Ur- 
laubes*. Als Beamte im Sinne dieser Bestimmung® sind nur 
öffentliche Beamte (nicht sogenannte Privatbeamte®), also 
Reichs-, Staats- und Kommunalbeamte anzusehen. [Auch die 
Offiziere fallen unter die Vorschrifth; Geistliche und andere 
Kirchendiener insoweit, als sie nach dem betreffenden Landesrecht 
als öffentliche Beamte anzusehen sind i.] 
Für die Feststellung der Zahl der Abgeordneten und 
die Verteilung derselben auf die einzelnen Bundesstaaten ist 
als Normalmaßstab angenommen, daß auf je 100000 Seelen ein 
Abgeordneter kommt. Doch wird auch in denjenigen Bundes- 
staaten, deren Bevölkerung nicht 100000 Seelen erreicht, ein 
Abgeordneter gewählt. Ebenso wird ein Überschuß von minde- 
stens 50000 Seelen der Gesamtbevölkerung eines Bundesstaates 
100000 Seelen gleich gerechnet. Bei der Berechnung ist diejenige 
Bevölkerungszahl als maßgebend betrachtet, welche den Wahlen 
zum verfassungberatenden Reichstag des norddeutschen Bundes 
bezw. (in Süddeutschland) den ersten Wahlen zum Zollparlament 
zugrunde gelegen hat. Auch die Bevölkerung von Elsaß - Loth- 
ringen hat man diesen Zahlen entsprechend berechnet. Die Ge- 
samtzahl der Abgeordneten beträgt 397, welche sich auf die 
einzelnen Länder in folgender Weise verteilen: Preußen 236, 
Bayern 48, Sachsen 23, Württemberg 17, Elsaß-Lothringen 15, 
Baden 14, Hessen 9, Mecklenburg - Schwerin 6, Sachsen -Weimar, 
Oldenburg, Braunschweig und Hamburg je 3, Sachsen-Meiningen, 
Sachsen-Koburg-Gotha und Anhalt je 2, alle übrigen Staaten je 
einen Abgeordneten?. [Die Zahl der Abgeordneten vermehrt sich 
haupt nicht, oder so: jeder Landesherr stelle einen Teil des Reichssouveräns 
(Träger der Reichsgewalt), der Reichstag aber die Vertretung des Volkes 
gegenüber dem Reichssouverän dar; mithin könne der Reichssouverän bzw. 
ein Teilhaber der Reichssouveränetät nicht im Reichstage sitzen. Dieser 
Gedankengang ist in seinen beiden Vordersätzen unrichtig. Wie hier nur 
v. Hoffmann, ArchÖffR 18 247 ff. — Vollends kein Bedenken besteht gegen 
die Wählbarkeit der Mitglieder der Senate der Freien Städte (überein- 
stimmend die Voraufl. und Laband 1 316 N, 1). 
“RV Art. 21. Über die Frage der Stellvertretungskosten vgl. 
unten $ 150. 
6 Das Vorbild ist Preuß, Verf. Art. 78 Abs.2; vgl. oben 899 S.350, 351. 
6 A. M. Riedel zu Art. 21 N. 1, v. Mohl, tR 351. Wie im Text 
Laband 1 337, Dambitsch 414. 
h Anders die Voraufl. (444). Übereinstimmend die herrschende Meinung: 
Laband 4 (4. Aufl.) 188, Zorn 1 232, Dambitsch 415. 
i A. M. die Voraufl. (444). Daß, wie G. Meyer meint, die Geistlichen 
nur „früher, wegen der engen Verbindung von Kirche und Staat, als Be- 
amte behandelt wurden,“ ist unzutreffend. Die Verbindung zwischen Kirche 
und Staat ist in Deutschland auch heute noch eng genug, um die Funktio- 
näre der Landeskirchen (allerdings nur dieser, nicht der übrigen Religions- 
gesellschaften) als öffentliche Beamte erscheinen zu lassen. Richtig Seydel, 
omm. 197, Dambitsch 415. 
? RWG $5, RV Art. 20, G. vom 25. Juni 1873 $3. — Das RWG führt 
nur 235 preußische Abgeordnete auf. Es ist aber infolge der Vereinigung
	        
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