Die Organe. $ 1831. oll
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Die Berufung und Eröffnung des Reichstages erfolgt
durch den Kaiser. Die Eröffnung geschieht im Namen der
verbündeten Regierungen. ÖOrdentlicherweise muß der Reichs-
tag alljährlich berufen werden?, die Berufung außerordent-
licher Reichstage liegt im Ermessen des Kaisers. Eine Ver-
sammlung des Reichstages ohne kaiserliche Berufung wäre
rechtswidrig, die Beschlüsse eines solchen „Reichstages* würden
nichtig sein.
Der Kaiser hat ferner das Recht, den Reichstag zu ver-
tagen und zu schließen?. Der Schluß erfolgt ebenfalls im
Namen der verbündeten Regierungen. Die Vertagung erfolgt
regelmäßig, aber nicht notwendig, auf bestimmte Zeit; sie darf
ohne Zustimmung des Reichstages die Frist von 30 Tagen nicht
übersteigen, also auch nicht auf unbestimmte Zeit geschehen
und während derselben Session nicht wiederholt werden. Ver-
tagung und Schluß unterscheiden sich wie bei den Landtagen
dadurch, daß im Fall der Vertagung die Sitzungsperiode fort-
dauert und daher die Kontinuität der Verhandlungen gewahrt
bleibt, während der Schluß die Sitzungsperiode beendet und
daher Diskontinuität zur Folge hat®. Die Vertagung hat eine
Unterbrechung der Sitzungen, und zwar nicht bloß der Plenar-,
sondern auch der Kommissions- und Abteilungssitzungen zur
Folge®.
ı RV Art. 12. — Arndt, RStR 136; Perels im ArchÖffR 19 23 ff.
® RV Art. 13. Den Zeitpunkt der Berufung kann der Kaiser nach
seinem Ermessen bestimmen, auch eine Berufung vor Beendigung der Stich-
wahlen ist rechtlich nicht ausgeschlossen. And. Ansicht: de Jonge, AnnDR
1888 669 ff.
® RV Art. 12. Perels a. a. O. 25ff.
* RV Art. 26.
5 Der Grundsatz der Diskontinuität der Sitzungsperioden ist aus-
esprochen durch die GO $ 70. Eine Ausnahme von demselben enthielten
die RG vom 23. Dez. 1874, 1. und 20. Febr. 1876. Diese setzten Kommissionen
ein, welche die Entwürfe über Gerichtsverfassung und Prozeß in der Zeit
zwischen zwei Sitzungsperioden durchberaten und in der folgenden Session
Bericht erstatten sollten. [Vgl. Laband, StR 1 348; Perels a. a. O. 24.
S. auch oben $ 103 N. 9.
6 Vgl. $ 103 S. 360. Die Frage, ob die Kommissionen während einer
Vertagung des Reichstages befugt sind, Sitzungen zu halten, hat in der
Reichstagssitzung vom 16. Juni 1882 eine eingehende Erörterung gefunden,
Dafür sprachen sich die Abgeordneten Dr. Windthorst (Sten. Ber. 511) und
Dr. Lasker (Sten. Ber. 518), dagegen die Abgeordneten Richter (Sten. Ber. 516)
und v. Minnigerode (Sten. Ber. 519) aus. Die Vertreter der ersteren Ansicht,
denen sich auch Laband, StR 1 343 N. 2, angeschlossen hat, gehen
aber insofern von einer irrigen Anschauung aus, als sie die Vertagung des
Reichstages durch den Kaiser und die im parlamentarischen Sprachgebrauch
ebenfalls als Vertagung bezeichnete Hinausschiebung der Sitzungen durch
Beschluß der Versammlung selbst als zwei völlig gleichstehende Institute
behandeln. Vgl. auch die Verhandlungen in der Reichstagssitzung vom
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