512 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 132.
Der Reichstag hat nicht das Recht, sich selbst zu vertagen,
wohl aber durch Hinausschiebung der Sitzungen eine tatsächliche
Unterbrechung der Verhandlungen eintreten zu lassen.
8 132.
Die Bestimmungen über die geschäftliche Behandlung!
der Vorlagen im Reichstage sind zum Teil in der Reichsverfassung,
zum Teil in der Geschäftsordnung enthalten, welche auf autono-
mischer Festsetzung des Reichstages beruht?.,
Der Reichstag wird entweder durch den Kaiser oder durch
den Reichskanzler oder einen Stellvertreter desselben im Namen
der verbündeten Regierungen eröffnet. Er tritt bei Beginn
einer neuen Legislaturperiode unter dem Vorsitz des ältesten Mit-
gliedes, bei den späteren Sitzungsperioden unter dem Vorsitz des
räsidenten der früheren Session zusammen®. Durch das Los
wird er in sieben Abteilungen geteilt *.
Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder
und entscheidet darüber. Die Vorprüfung geschieht zunächst
28. Juni 1890 (Sten. Ber. 653 ff). Der in dieser Sitzung gefaßte Beschluß,
trotz der Vertagung des Reichstages bis zum 18. November eine Kom-
mission zu ermächtigen, bereits am 4. November wieder zusammenzutreten,
ist jedenfalls inkorrekt. Denn entweder sind die Kommissionen überhaupt
berechtigt, während der Vertagung Sitzungen zu halten, dann bedurfte es
dazu keiner Ermächtigung des Reichstages. Oder sie sind es nicht: dann
konnte eine derartige Ermächtigung, nicht vom Reichstage, sondern nur
vom Kaiser erteilt werden. [Der Reichstagsbeschluß vom 28. Juni 1890
wird gebilligt von Laband a. a. O.; Arndt, StR 133; Perels, Autonomes
Reichstagsrecht 105 N. 585; Thoma, JOfR 5 366; Dambitsch, RV 311—913.
Auch Seydel, Komm. 206, will sich bei dem Beschluß „beruhigen“. Vglauch
oben 360 Anm. a,
ı R. v. Mohl, Kritische Erörterungen II. Die Verhandlungen im
Reichstage, ZStW 81 39 ff.; Seydel, Ann 408 ff.
® RV Art. 27. — Die neueste Fassung der GO datiert vom 10. Febr.
1876; sie ist abgedruckt: AnnDR 1877 4% ff. und bei Triepel, Quellen-
sammlung zum deutschen RStR 188 ft. Abänderung derselben in Einzelpunkten
durch Reichstagsbeschluß vom 5. Febr. 1895 (Sten. Ber. 1 671; vgl. An-
lagen 1 644), vom 16. Febr. 1895 (Sten. Ber. 1 946, vgl. Anlagen
1 726) [vom 14. Nov. 1902 — Antrag Aichbichler, betr. namentliche Ab-
stimmungen —, vgl. Sten. Ber. 1900—1903 Anlagen 7 4918, vom 9. Dez.
1902 — Antrag Groeber, betr. Abkürzung der Redezeit bei Bemerkungen
zur GO, vgl. Sten. Ber. 1900-1903 8 6993 ff.; vol. über die beiden
letztbezeichneten Abänderungen der GO: Laband, DJZ 1908 5 ff.; Posener,
VdDR 101, 102. Neueste Änderungen: Reichstagsbeschlüsse vom 93. und
8. Mai 1912 (Sten. Ber. 1912, 1. Sess. 1673 ff, 1747fl.. Amtliche Ausgabe
der GO vom 8. Mai 1912. Ausgabe mit Anmerkungen von B. Jungheim (1916).
er die GO im ganzen und einzelnen: Perels, Das autonome Reichstags-
recht (1909) Hatsc ek 62ff. Vgl. auch v. Jagemann, a. a. O. 131 ff.]
Go 82.
a Vgl. Leser, Untersuchungen über das Wahlprüfungsrecht des Deutschen
Reichstags (1908); Hatschek, a.a.0. 1 491 ff., sowie den oben $ 130 Anm. 6
angeführten Kommissionsbericht vom 18. März 1915 in Sachen Wetterle,