516 Zweites Buch. Zweiter Teil. $ 132.
8 138.
Die persönliche Stellung der Reichstagsmitglieder ist
der der Landtagsmitglieder in den einzelnen deutschen Staaten
(oben $ 105) analog. Sie hat ihre Regelung durch eine Reihe
von Vorschriften des objektiven Rechtes gefunden, welche zu-
gleich subjektive Rechte der einzelnen Reichstagsabgeordneten be-
gründen!,
l. Die Reichstagsmitglieder sind in Ausübung ihres Berufes
durchaus unabhängig von ihren Wählern. Die RV? be-
zeichnet sie als Vertreter des gesamten Volkes und erklärt, daß
sie an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden seien.
2. Die Reichstagsmitglieder müssen den Sitzungen bei-
wohnen, wenn sie nicht in ordnungsmäßiger Weise Urlaub er-
balten haben®. Doch besteht keinerlei Strafe für das unent-
schuldigte Versäumen von Sitzungen 2.
3. Den Reichstagsmitgliedern ist das Recht der freien
Meinungsäußerung* in umfassendem Maße beigelegt worden.
Nach der RV> darf kein Mitglied des Reichstages zu irgend einer
Zeitb wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung
seines Berufes getanen Äußerungen gerichtliche oder diszipli-
narisch verfolgt werden. Durch diese mit Rücksicht auf den Ober-
tribunalsbeschluß vom 29. Januar 1866d beliebte Fassung ist die
a. a. O.; Seydel, Ann. a. a. O.). Der Ausdruck „Sitzungen des Reichs-
tages“, zu welchen das Wort „öffentliche“ als beschränkender Zusatz hinzu-
tritt, kann nur von Plenarsitzungen verstanden werden. Übereinstimmend:
Thudichum, VR 192 N. 1, der aber das Hauptgewicht auf den irrelevanten
Umstand legt, daß Bundespräsidium und Bundesrat der Bestimmung der GO
nicht widersprochen haben; Riedel zu Art. 22 Nr. la; v. Rönne, StRDR
1 282; H. Schulze, Lehrbuch des deutschen StR 2 8; v. Jage-
mann, a. a. O. 183; Hatschek, DJZ 20 750f. Übrigens hat der Reichs-
tag von dem 5 36 seiner GO auch schon Gebrauch gemacht, indem er
am 17. März 1900 beschloß, bei Beratung des Antrags Heine und Gen.,
Nr. 664 der Drucksachen, die Öffentlichkeit auszuschließen. Vgl. Perels, a.a. O.
1 vol. 8 105 S. 369.
® RV Art. 29.
: GO 8 61.
& Der Abzug von 20 Mk. von der den Abgeordneten zu gewährenden
Entschädigung (8. unten 521) ist keine Strafe, denn er tritt nicht bloß bei
gnentschu digtem, sondern auch bei entschuldigtem Fernbleiben von der
itzung ein.
ey l. die 8 105 S. 371 N. 5 zitierten Schriften; ferner: Laband, StR1
S55ff., Kl. A. 84ff.; Seydel, Komm. 211ff.; Dambitsch, RV 458ff.; Arndt,
RStR 139g.; v. Jagemann, a. a. O. 139, 140; L. Fuld, Die strafrechtliche
Immunität der Mitglieder des deutschen Reichstages, im Gerichtssaal
0
RV Art. 30.
b Vgl. oben $ 105 Anm. c.
e Auch die zivilgerichtliche Verfolgung ist ausgeschlossen. Vgl. oben
$ 105 Anm. c.
d Oben 372.