Die Organe, $ 135a. 5929
die IL] rertretung des Reichskanzlers, vom 17. März 1878 ge-
regeit.
® Art.15 Abs. 2 bestimmt: „Der Reichskanzler kann sich durch
jedes andere Mitglied des Bundesrates vermöge schriftlicher Sub-
stitution vertreten lassen.“ Diese Bestimmung? ist lediglich auf
den Vorsitz und die Leitung der Geschäfte im Bundesrate zu
beziehen®. Für die Stellvertretung hinsichtlich der anderen Funk-
tionen fehlte es ursprünglich an einer gesetzlichen Regelung.
Dieselbe erfolgte durch das Reichsgesetz, betreffend die Stell-
vertretung des Reichskanzlers vom 17. März 1878*. Nach diesem
Gesetz können sowohl die Gegenzeichnung der kaiserlichen An-
ordnungen und Verfügungen, als die übrigen dem Reichskanzler
2 Vgl. oben $ 124 5. 489,
8 Vgl. oben $ 124 S. 489. Der von den Regierungen dem verfassungs-
beratenden Reichstage des norddeutschen Bundes vorgelegte Entwurf einer
Bundesverfassung enthielt folgende Bestimmungen: 1. Art.12: „Das Bundes-
präsidium ernennt den Bundeskanzler, welcher im Bundesrate den Vor-
sitz führt und die Geschäfte leitet.“ 2. Art. 16: „Der Bundeskanzler kann
sich in Leitung der Geschäfte durch jedes andere "Mitglied des Bundesrates
vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen.“ Nachdem Art. 12 der
Regierungsvorlage vom Reichstage abgelehnt war (Sten. Ber. 380 und 381),
brachte der Abgeordnete Graf Bethusy-Huc den Antrag ein, den Art. 16
der Regierungsvorlage (15 der Verf.) folgendermaßen zu fassen: „Der Vor-
sitz im Bundesrate und die Leitung der Geschäfte steht dem Bundeskanzler
zu, welcher vom Präsidium zu ernennen ist. Derselbe kann sich durch
jedes andere Mitglied des Bundesrates vermöge schriftlicher Substitution
vertreten lassen.“ Der Antrag wurde angenommen (Sten. Ber. 401 und 402),
nachdem ein Amendement des Abgeordneten v. Bennigsen hinter dem
Worte „Geschäfte“ hinzuzufügen, „des Bundesrates“ abgelehnt war (Sten.
Ber. 400). Aus der Ablehnung dieses Amendements ist gefolgert worden,
daß die im Art. 15 RV festgestellte Substitutionsbefugnis des Reichskanzlers
den ganzen Geschäftsbereich desselben umfaßte (M. Joel, Die Substitutions-
befugnis des Reichskanzlers nach deutschem StR, AnnDR 1878 402 £.; Bis-
marck in der Reichstagssitzung vom 5. März 1878, Sten. Ber. 342 und 943;
Hensel, a. a. 0. 2ff., 56 und 57, Dieser Auffassung kann jedoch nicht bei-
getreten werden. Da in der ursprünglichen Regierungsvorlage der Bundes-
anzler nur 'als Vorsitzender des Bundesrates gedacht war (vgl. die Auße-
rungen des Fürsten v. Bismarck in der Reichstagssitzung vom 5. März 1878
a. 8. OÖ. 342), so konnte sich auch die im Art. 16 a. a. OÖ. erwähnte Substi-
tutionsbefugnis nur auf diese Eigenschaft beziehen. Der Antrag des Grafen
Bethusy-Huc, auf welchem der jetzige Art. 15 RV beruht, hatte aber ledig"
lich den Zweck, den Sinn der Regierungsvorlage zu reproduzieren. Die A
lehnung des Amendements von Bennigsen braucht durchaus nicht in dem
Sinne aufgefaßt zu werden, daß der Reichstag dadurch das Gegenteil von
dem, was dasselbe enthielt, habe festsetzen wollen. Sie kann auch deshalb
erfolgt sein, weil der Inhalt des Amendements als selbstverständlich an-
gesehen wurde. Diese Annahme erscheint um so mehr als zulässig, da eine
ausdrückliche Erklärung darüber, in welchem Sinne die Ablehnung aufzu-
fassen sei, nicht vorlieg bereinstimmend mit dem Text die herrschende
Meinung: Haenel, Organisatorische Entwicklung der deutschen RV 35; Zorn,
StR 1 252: Laband, StR 1 388 N. 2; Seydel in v. Holtzendorfis und
Brentanos Jahrbuch, N. F. 8 294, Komm. 179; H. Schulze, Lehrbuch des
deutschen StR 2 8 270 8.95; Rosenberg, a. a. Ö. 37, 44; Anschütz, Enzykl.
118; Rosenthal a. a. O. 34; Smend, AnnDR 1906 322 ff.
* Vgl. die oben Anm. 1 angegebene Literatur.