Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 188. 540 
des Landtags von Elsaß-Lothringen (WG). Das Reichsland erhielt jetzt 
Sitz und Stimme im Bundesrat, ausgeübt durch drei Bevollmäch- 
tigte, welche vom Statthalter ernannt, instruiert und abberufen 
werden. Hierüber ist oben $:123 S. 484 gesprochen worden. 
Der Landesauschuß wurde aufgehoben. An seine Stelle trat eine 
vollkommenere parlamentarische Vertretung des Landes: der 
Landtag, zusammengesetzt nach dem Vorbilde der größeren 
Einzelstaaten (vgl. oben $ 97) aus zwei Kammern, welche die 
Bezeichnungen „Erste Kammer“ und „Zweite Kammer“ führen. 
Die Möglichkeit, elsaß-lothringische Landesgesetze im gemein- 
gültigen Wege der Reichsgesetzgebung zu erlassen (s. oben S, 544), 
wurde beseitigt; solche Gesetze dürfen jetzt nur mehr auf dem 
in dem VG vom 31. Mai 1911 vorgeschriebenen Wege — Kaiser 
mit Zustimmung des Landtags — ergehen. Bundesrat und Reichs- 
tag nehmen also an der elsaß-lothringischen Landesgesetzgebung 
nicht mehr teil. 
Soweit das Verfassungsrecht des Reichslandes in dem VG vom 
31. Mai 1911 geregelt ist, kann es nur durch Reichsgesetz (RV 
Art. 5, 7, 17, 2, also vom Bundesrat mit Zustimmung des Reichs- 
tags, Ausfertigung und Verkündigung durch den Kaiser; vgl. unten 
$ 164—166), im übrigen durch Landesgesetz abgeändert werden. 
enn das VG vom 31. Mai 1911 hat Reichsgesetzeskraft (Art. IID, im 
allgemeinen aber fällt die Regelung der inneren Verfassung des 
Reichslandes in den Zuständigkeitsbereich der Landesgesetzgebung. 
Durch das Verfassungsgesetz geordnet und damit reichsgesetzlich 
festgelegt sind insbesondere die Stellung und die Rechte des 
Kaisers und seines Statthalters, die Zusammensetzung der Ersten 
und, was: das grundlegende Formationsprinzip (allgemeines Wahl- 
recht) anlangt, auch der Zweiten Kammer, die Zuständigkeit des 
Landtags, die Redefreiheit und sonstige Immunität der Landtags- 
mitglieder, der Grundsatz der deutschen Staatssprache. Diese 
Materien sind also der Landesgesetzgebung entzogen. Dagegen 
ist das Wahlrecht zur Zweiten Kammer zwar auch durch ein 
Reichsgesetz, das Wahlgesetz vom 31.Mail911 (WG), geregelt, diesem 
Gesetze (es ist das letzte auf Grund des Vorbehalts in $ 2 des 
Gesetzes vom 2. Mai 18774 erlassene Reichsgesetz) jedoch nichtr 
die Kraft und Bestandsgarantie eines ordentlichen Reichsgesetzes 
beigelegt worden, so daß es, obwohl von Bundesrat und Reichs- 
tag beschlossen, doch im Wege der Landesgesetzgebung, vom 
Kaiser unter Zustimmung des Landtags, abgeändert und aufgehoben 
werden kanns, 
1 8. oben 548. 
r — wie dies zugunsten des VerfG vom 81. Mai 1911 durch Art. HI 
desselben geschehen ist. 
s So der ausdrücklich erklärte Wille des Gesetzgebers: vgl. Begrün- 
dung zum Entwurf des VerfG 15, Bericht der Reichstagskommission 4. 
Übereinstimmend die Literatur: Laband 2 252; Fischbach 112; A. Schulze, 
Komm. z. d. GG vom 381. Mai 1911 65, 146.
	        
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