Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

44 Einleitung. $ 12. 
schriften des Protektors befolgen, bzw. unter Verzicht auf jede 
selbständige völkerrechtliche Daseinsbetätigung, sich durch den 
Protektor vertreten lassen muße. Ein solches Protektoratsver- 
hältnis war der Rheinbund (unten $ 36) und ist die gegenwärtige 
Schutzherrschaft Frankreichs über Annam, Kambodja, Tunis, 
Marokko.] 
[2. Staatenverbindungen im engeren Sinne sind 
Vereinigungen mehrerer Staaten zu einer dauernden, orga- 
nisierten Gemeinschaftf. Die Gemeinschaft kann eine solche 
des Völkerrechts oder des Staatsrechts sein. Im ersteren Fall 
beruht sie stets auf Vertrag und ist auch ihrem Wesen nach ein 
Vertragsverhältnis, welches, wie alle völkerrechtlichen Vertrags- 
verhältnisse, die Souveränetät der verbundenen Staaten unberührrt 
laßt. In diese Kategorie gehört die „Staatenbund“ genannte 
Verbindungsweise. Die staatsrechtlichen Verbindungen sind, im 
Gegensatz zu diesen völkerrechtlichen, nicht sowohl Gemein- 
schaften als Gemeinwesen, und zwar staatliche Gemein- 
wesen: Verbände von Staaten, welche als solche selbst wieder 
Staaten darstellen (zusammengesetzte oder Gesamtstaaten, Staaten- 
staaten im weiteren Sinne). 
e Jellinek, Staatsl. 745 ff.; Bornhak, Einseitige Abhängigkeitsverhältnisse 
unter den modernen Staaten (1896); Rehm, Staatsl. 71 ff. und Staatsi. (1907) 
28 ff.; — vgl. außerdem die einschlägige Literatur des Völkerrechts, vor 
on N Liszt, Völkerrecht (6. Aufl. 1910) 54; v. Ullmann, Völkerrecht 
(1 
f Die Vorauflagen sagten hier (6. A. 39) statt „Gemeinschaft“: „Gemein- 
wesen“, in welchem „eine höhere Gewalt“ existiere, „welchem eine Herr- 
schaft über die einzelnen Staaten zusteht“. Diese Merkmale treffen aber 
nur auf die Staatenstaaten i. w. S. (oben im Text), nicht auf den Staaten- 
bund zu. Der Text der Vorauflagen verwischte somit einen fundamentalen 
Unterschied auf dem Gebiete der Staatenverbindungen: den zwischen völker- 
rechtlichen und staatsrechtlichen Verbindungen (richtig Jellinek, Staatsl. 762). 
Die völkerrechtlichen Verbindungen sind ihrer Entstehung wie ihrer Natur 
nach Verträge. Ein Vertrag ist wohl eine Gemeinschaft, niemals aber ein 
Gemeinwesen: ein Rechtsverhältnis kann nie ein Rechtssubjekt sein. 
Daher ist jetzt das Wort „Gemeinwesen“ durch den umfassenderen Ausdruck 
Gemeinschaft“ ersetzt. Wenn man, wie es G. Meyer wollte, für Staaten- 
bund und Bundesstaat einen höheren, vereinigenden Gattungsbegriff finden 
will, darf man unter dessen Merkmale nicht das Moment „Gemeinwesen“ 
aufnehmen. Denn ein Gemeinwesen ist wohl der Bundesstaat, nicht aber 
der Staatenbund. Dagegen haben beide gemeinsam, daß sie auf die Dauer 
eingerichtete, organisierte Staatengemeinschaften sind. — Auch die Be. 
hauptung, daß in allen Staatenverbindungen i. e. S., also auch im Staaten- 
bunde, eine „höhere, die Verbundenen beherrschende Gewalt“ bestehe, war 
irrig. In einer völkerrechtlich-vertragsmäßigen Staatenverbindung, als welche 
der Staatenbund in jeder seiner geschichtlichen Verkörperungen — Deutscher 
Bund, Schweiz 1815— 1343, Vereinigte Staaten von Nordamerika 1776-1787 — 
gewesen ist, kann es eine solche „höhere“, von den verbundenen Staats- 
ewalten und auch von ihrer Summe verschiedene Gewalt gar nicht geben. 
er Staatenbund hat keinen selbständigen, von dem Willen der Mitglieder 
gesonderten Willen: deshalb nicht, weil die notwendige Voraussetzung fehlt: 
as eigene Selbst im Rechtssinne. Der Staatenbund ist nicht Rechtssubjekt, 
nur Rechteverhältnis,
	        
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