560 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 14la.
Reichskanzlers gebunden; Art. 17 RV gilt auch hier. Alle An-
ordnungen und Verfügungen des Kaisers im Bereiche der Kolonial-
verwaltung bedürfen mithin zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeich-
nung des Reichskanzlers oder seines Stellvertreters.. Die Stell-
vertretung regelt sich nach allgemeinen Grundsätzen: RG vom
17. März 1878 (oben 528ff.).. Der zuständige Ressortstellvertreter
ist der Staatssekretär des Reichskolonislamts, für Kiautschou der
des Reichsmarineamts (s. unten).
2. aus dem Vorrang der Reichsgesetze vor
kaiserlichen Verordnungen. Soweit die Rechts- und Ver-
waltungsordnung der Schutzgebiete durch Reichsgesetz geregelt ist,
kann sie durch einseitige kaiserliche Anordnungen nicht geändert
werden. Solche Regelung ist auf mehreren Gebieten erfolgt, so auf
dem des Beamtenrechts (Kolonialbeamtengesetz vom 8. Juni 1910),
vor allem auf dem des gesamten bürgerlichen Straf- und Prozeß-
rechts einschließlich der Gerichtsverfassung: SchGG 88 2 und 38.
Diese Materien sind der Verordnungsgewalt des Kaisers entzogen,
sie kann sich hier nur auf Grund und in den Schranken be-
sonderer gesetzlicher Ermächtigungen betätigen. Solche Ermäch-
tigungen sind sowohl im SchGG als in denjenigen Bestimmungen
des Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes enthalten, welche in den
Schutzgebieten eingeführt sindh. Die bedeutsamste dieser Er-
mächtigungen liegt im $4 Sch@GG. Danach ist das Privat-, Straf-
und Prozeßrecht der Eingeborenen gesetzesfreies Gebiet und
somit der Regelung durch kaiserliche Verordnung unterworfen
(vgl. oben Anm. g).
3. aus dem Grundsatz der Unabhängigkeit der
Justiz. Dieser Grundsatz gilti auch in den Schutzgebieten und
8 Nach v2 SchG& finden auf die Gerichtsverfassung in den Schutz-
gebieten die Vorschriften der 8$ 5, 7—15, 17, 18 fdes G. über die Konsular-
erichtsbarkeit vom 7. April 1900 (oben Anm. c) mit der Maßgabe entsprechende
wendung, daß an die Stelle des Konsuls der von dem Reichskanzler zur
Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte und an die Stelle des Kon-
sulargerichts das in Gemäßheit der Vorschriften über das letztere zusammen-
gesetzte Gericht des Schutzgebietes tritt. Nach $3 Sch@G& gelten in den Schutz-
gebieten (nicht bloß personell für die Deutschen, sondern territorial für alles
olk, jedoch mit Ausnahme der Eingeborenen, $ 4 SchGG, vgl. oben im Text
die im 9 des Konsulargerichtsbarkeitsgesetzes bezeichneten Reichs- un
preußischen Gesetze. Dies sind: 1. die dem bürgerlichen Recht an-
gehörenden Vorschriften der Reichsgesetze und der daneben innerhalb Preußens
ım bisherigen Geltungsbereiche des PrALR in Kraft stehenden allgemeinen
Gesetze sowie die Vorschriften über Verfahren und Kosten in bürger-
lichen Rechtsstreitigkeiten, Konkurssachen und Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit ; 2. die dem Strafrecht angehörenden Vorschriften
der Reic sgeaetze einschließlich jener über Verfahren und Kosten in Strafsachen.
h Vgl. SchGG 8 6 und die im SchGG $ 3 bezeichneten Vorschriften
des Konaulargerichtsbarkeitsgesetzes.
i — allerdings mit gewissen Modifikationen betrefis der dienstlichen
Stellung der Richter; vgl. Gerstmeyer im WStVR 3 396. Anerkannt und
bekräftigt ist der Grundsatz durch $ 48 des KolBG vom 8. Juni 1910.