576 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 143.
wurde die privatrechtliche Anschauung mit Erfolg bekämpft und
der Grundsatz aufgestellt, daß das Beamtenverhältnis nicht auf
einem Vertrage, sondern auf einem einseitigen Staatsaukte
beruhe!?, Diese Auffassung erwarb sich bald eine fast allgemeine
Anerkennung. Nur wenige Schriftsteller blieben auf dem Stand-
unkte der Vertragstheorie stehen !®. In neuerer Zeit ist jedoch
Nie Ansicht von der vertragsmäßigen Begründung des Beamten-
verhältnisses wieder aufgenommen worden!*. Freilich in modifi-
zierter Form. Es wird anerkannt, daß der Vertrag kein bloßes
Obligationsverhältnis zwischen Staat und Beamten, sondern ein
Gewaltverhältnis des ersteren über den letzteren begründet. Der
Staatsdienst soll ein Analogon in der Vassallität finden’. Eine
vertragsmäßige Begründung des Beamtenverhältnisses muß nach
dieser Ansicht deshalb angenommen werden, weil der Eintritt in
den Staatsdienst freiwillig ist, zu demselben also Willensüberein-
stimmung zwischen dem Staate und dem Beamten erfordert wird.
Schon diese Voraussetzung trifft nur bei einem Teil der Beamten,
nämlich bei denjenigen Personen zu, welche aus der amtlichen
Tätigkeit ihren Lebensberuf machen. Dagegen finden sich unter
denjenigen Personen, welche amtliche Funktionen neben anderen
Berufsgeschäften besitzen, sowohl solche, welche dieselben frei-
willig, als solche, welche sie kraft eines gesetzlichen Zwanges
übernommen haben. Trotzdem unterscheiden sich ihre Rechts-
verhältnisse in keinem wesentlichen Punkte voneinander!*. Auch
die besonderen Rechte und Pflichten der Berufsbeamten sind keine
12 Zuerst von Goenner in der $ 142 Anm. a angeführten Schrift über
den Staatsdienst.
18 Klüber $ 492; Schmitthenner, Grundlinien des idealen oder all-
gemeinen StR 509,
14 [Über diese Wiederaufnahme vgl. Preuß, Städt. Amtsrecht 77 ff.
Führer der neuen Vertragstheorie ist Laband, StR 1 430f., Kl. A. 101.
ArchÜffR 15 75 ff] Weitere (z.'T. selbständige) Vertreter sind Seydel, Allg.
StL 59 ff., Bayer. StR (2. Aufl.) 2 184 ff.; Seydel-Piloty, Bayer. StR 1 670 tf.;
Piloty im JahrbOFR 1904 240; v. Stengel, Das OffR und die VerwGbk in
Elsaß-Lothringen, AnnDR 1N76 897 ££.; Derselbe im HbÖfR 137; E. Loening,
Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten
(1879) 131, VR 119; v. Sarwey; Württ. StR 2 276; Göz, Württ. StR 176;
Gareis, AllesıR in Marquardsens Handb 164; E. Mayer, Kirchenhoheits-
rechte des Königs von Bayern 196ff.; Rehm a. a, O. 116ff.; Derselbe,
AllgStI. 137 Anm, 4; Freund im ArchÖfR 1 115 N. 2; Jellinek, System
der subjektiven ÖAR 177 ff., 209 #., sowie Ausgewählte Schriften und
Reden 2 302; Reindl, Bayer. BG 9, 10; Hatschek, SelbstV 98; Affolter,
AllgstR 38 N. 34, der sogar wieder auf die Kategorie des Mandates
zurückgreift.
15 Laband a. a. O. 434. Gegen diese [vor Laband schon von Schmitt-
henner und Gerber vertretene] Auffassung Seydel, Bayer. StR (2. Aufl.) 187 tf,;
Preuß, Städt. Amtsrecht 80 ff. Übrigens stellt Laband StR 1 4983 N. 2 fest,
daß er „weit davon entfernt sei, das Beamtenverhältnis der Gegenwart mit
der Vassallität oder Ministerialität zu identifizieren“. _
88 Vgl. die zutreffenden Bemerkungen von Preuß, Städt. Amtsrecht
82, 83.