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Das Wesen des Verwaltungsdienstes dagegen fordert eine
Unterordnung der niederen Beamten unter die Befehle der
höheren. Nach einigen Staatsdienergesetzen ist die Gehorsams-
pflicht der Verwaltungsbeamten eine unbedingte; der Beamte hat,
wenn ihm die Verfassungsmäßigkeit des Befehls zweifelhaft er-
scheint, nur die Befugnis, seine Bedenken bei der vorgesetzten
Behörde geltend zu machen ?. Andere Gesetzgebungen beschränken
die Pflicht des Gehorsams auf solche Verfügungen, welche inner-
halb der amtlichen Zuständigkeit und in den gesetzlich vor-
geschriebenen Formen erlassen sind!‘, Da, wo ausdrückliche Be-
stimmungen fehlen!!, darf weder eine unbedingte Gehorsamspflicht
des Beamten, noch ein allgemeines Prüfungsrecht desselben in
bezug auf alle Befehle seiner Vorgesetzten angenommen werden.
Erstere würde mit der Pflicht, Verfassung und Gesetze zu be-
obachten, im Widerspruch stehen, letzteres eine geordnete Staats-
verwaltung unmöglich machen. [Wollte man das Prüfungsrecht
des Untergebenen darauf erstrecken, ob in dem ihm erteilten
Dienstbefehl die bestehenden Gesetze richtig ausgelegt sind, so
würde die auf der Über- und Unterordnung beruhende Behörden-
organisation geradezu auf den Kopf gestellt; „nicht das Reichs-
gericht, sondern der Gerichtsvollzieher, nicht das Finanzministerium,
sondern der Zolleinnehmer würde in Wahrheit die letzte Instanz
sein®e. Unrichtig ist es ferner, eine in mehreren älteren Landes-
gesetzend enthaltene und von da in die Reichsmilitärstrafgerichts-
Abs. 3 aus: „Die dienstliche Gehorsamspflicht gilt für Beamte soweit nicht,
als sie die richterliche Gewalt ausüben.
9 Sächs. StDG $7, Württ. Verf. Art.53 Abs. 2, Hess. Verf. Art. 109, Schb.-
Lipp. Verf. Art. 63.
10 Württ. Verf. 8$ 52 und 53, BG Art. 4, S.-Weim. StDG 8 14, S.-Mein.
StBG Art. !2, S-Alt. StDG 819, Braunschw. StDG $ 19, Old. StDG Art. 35,
S.-Kob.-Goth. StDG $ 15. Schw.-Sondh. StDG 8 8, Schw.-Rud StDG $ 14,
Lipp StDG $ 15, Wald. StDG 8 20, Lüb. BG $ 21, Brem. BG $ 25.
11 Zu den Gesetzen dieser Art gehören auch diejenigen, welche, wie
z.B. das RBG$ 10, sich begnügen, den selbstverständlichen Grundsatz aus-
zusprechen, daß der Beamte das ihm übertragene Amt der Verfassung und
den Gesetzen entsprechend wahrzunehmen habe. [Auch aus $ 13 RBG
(„Jeder Reichsbeamte ist für die Gesetzmäßigkeit seiner amtlichen Hand-
lungen verantwortlich“) ist bezüglich der Grenzen der Gehorsamspflicht
nichts zu entnehmeu; keinesfalls verleiht diese Bestimmung dem unter-
ebenen Beamten «das Recht, die materielle Gesetzmäßigkeit der ihm erteilten
Befehle zu prüfen. A. M. Loening, VR 122.]
c So Laband 1462. Nur eine — ın sich unfolgerichtige — Abschwächun
der hiermit zurückgewiesenen Lehre ist es, wenn G. Meyer, Voraufl. 514,
(und ihm folgend Brand, BR 546) die Pflicht zur Gehorsamsverweigerung
statuieren will, gegenüber „Verfügungen, welche dem klaren Wortlaut eines
Gesetzes widersprechen“. Auch diese Meinung läuft darauf hinaus, den
Untergebenen zum Richter des Vorgesetzten zu machen, denn — so ist es
doch gemeint — darüber, was der „klare“ Wortlaut des Gesetzes besagt, soll
nicht der Dienstbefchl des Vorgesetzen, sondern die Ansicht des Unter-
ebenen entscheiden. Gegen G. Meyer Seydel, a.a.O. (2. Aufl.) 2 224 N. 14,
. Mayer, VR 2 237, 238 N. 10; Heilborn, a. a. O. 126.
ad Württ. Verf. $ 53 Abs. 2, Sächs. ZStDG vom 7. März 1835 8 7.