Die Organe. $ 147. 599
3. Einige Beamtengesetze schreiben vor, daß die Beamten
zur Eingehung einer Ehe der Genehmigung ihrer
vorgesetzten Behörde bedürfen. Dieselbe soll jedoch nur
dann, wenn der Beamte durch die Eingehung der Ehe der all-
gemeinen Achtung verlustig ginge oder bei Unzulänglichkeit der
pekuniären Mittel zur Erhaltung der Familie verweigert werden”.
Andere Staaten begnügen sich mit einer bloßen Anzeige®; in
noch anderen fehlt es an einschlägigen Gesetzesbestimmungen und
es besteht hier infolgedessen keine Verpflichtung der Beamten,
die Genehmigung zur Verehelichung nachzusuchen oder das Vor-
haben der Eheschließung anzuzeigen. Dies gilt namentlich auch
für die Reichs- und preußischen Beamten. Die Gültigkeit der
Ehe wird durch die fehlende Erlaubnis nicht berührt!. Wohl
aber macht sich der Beamte, der es unterläßt, dieselbe nachzu-
suchen, eines Dienstvergehens schuldig und kann daher eine
Disziplinarbestrafung erleiden. Auch sind an die Unterlassung
durch spezielle gesetzliche Bestimmungen mitunter anderweite
Nachteile geknüpft. |
[4. Der Beamte hat sich in der Ausübung der ihm als Mensch
und Staatsbürger zustehenden Rechte, insbesondere der sogenann-
ten Freiheitsrechte (s. unten $$ 217 ff.), wie Rede-, Preß-, Versamm-
lungs-, Vereinsfreiheit, diejenige Mäßigung aufzuerlegen, welche
durch die Pfichten seines Amtes und Standes, durch seine Stellung
als Organ des Staates bedingt sind: jene Rechte sind durch diese
Pflichten eingeschränkt, nicht umgekehrta. Die Ausübung des
Wahlrechts zum Reichstag, den Landtagen und Gemeinde-
vertretungen darf den Beamten nicht mit Bezug auf ihre Dienst-
pflicht verboten oder beschränkt werden b.]
? Siehe die ausführliche Übersicht der ‚geltenden landesrechtlichen Be-
stimmungen (aufrechterhalten durch $ 1315 BGB) bei Sartorius, Komm. zum
Personenstandsgesetz (1902), 272 ff.; Staudinger-Engelmann zu BGB $ 1315.
8 Bay. Be Art. 17, Württ BG Art. 7, Bad. BG S 11.
° In Preußen sind sämtliche Bestimmungen, nach denen Beamte und
Geistliche zur Eheschließung der Genehmigung bedurften, durch das AusfG
zum BGB vom 20. Sept. 1899 aufgehoben worden.
10 RG über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung
vom 6. Febr. 1875 3 38. BGB $ 1315.
S Das Verlust des Pensionsanspruches der Witwe, so Reuß ä. L.
t .
a Vgl. Bay. BG Art. 16 (Vereinsfreiheit der Beamten). Piloty, ArchÖffR
33 3f., 34 tf.; Reindl, Bay. BG zu Art. 16; Rehm, AllgStL (1899) 106, 107;
Brand, BR 557; v. Rheinbaben, DiszG 81 ff.; Pasquay, Die Vereins- und
Versammlungsfreiheit der Beamten, AnnDR 1914 401 ff. Die Reichsgesetze,
auf denen die im Text bezeichneten Freiheitsrechte beruhen (FreizügigkeitsG,
Pre:sG, VereinsG), lassen die landesrechtlichen Bestimmungen über die
Pflichten und Beschränkungen der Beamten unberührt; vgl. Anschütz, Komm.
zur preuß. Verf. 1 506ff., 510, 524, 525.
b Vgl. oben $ 146 S. 591 N. 1. Übereinstimmend Piloty, ArchÖfR
83 21. Auch das PrOVG lehnt es ab, einen Beamten lediglich deshalb
disziplinarisch zu bestrafen, weil er für den Kandidaten einer jener Parteien
gestimmt hat, die man vor dem gegenwärtigen Weltkriege „staatsfeindlich“