Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

606 Zweiter Teil. Zweites Buch. $ 148. 
nicht nur sein Amt, sondern auch Titel, Rang und Pensions- 
anspruch !#15, 
4. Der Beamte unterliegt also einer doppelten Straf- 
gewalt, der allgemeinen, welcher jeder Staatsangehörige 
untersteht, und einer besonderen, welche Ausfluß des spe- 
ziellen Gewaltverhältnisses ist, in dem er sich zum Staate be- 
findet. [Kriminal- und Disziplinarstrafe sind zwei verschiedene 
Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. Eine und dieselbe Pflicht- 
verletzung kann beide Folgen nach sich ziehen; der Grundsatz 
ne bis in idem gilt für das Verhältnis der beiden nichtm. Doch 
ist beim Zusammentreffen strafrechtlicher und disziplinarer Ver- 
folgung eines und desselben Vorgangs das Disziplinarverfahren 
nur mit folgenden Einschränkungen zulässig: Das strafgericht- 
liche Verfahren hat den Vorrang vor dem disziplinären. Dem- 
gemäß darf im Laufe einer strafgerichtlichen Untersuchung gegen 
den Angeschuldigten ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet 
werden. Wenn im Laufe eines Disziplinarverfahrens wegen der 
nämlichen Tatsachen eine gerichtliche Untersuchung gegen den 
14 Auch die Bestimmung des RBG 88 75 und 100, welche in einige 
Landesgesetze (Bay. BG Art. 114, Bay. Richterdisziplinarges. Art. 11, Württ. 
BG Art. 93, Sächz. G. vom 3. Juni 1876 8 33, Bad. BG 8 96, Hess. G. vom 
91. Mai 1879 Art. 54, G. vom 21. April 1881 Art. 11, Hamb. Disz und PensG 
& 18, Elsaß-Lothr. G. vom 13. Febr. 1899 8 6) übergegangen ist, daß der in 
Disziplinaruntersuchung befindliche Beamte durch Verzicht auf Titel, Gehalt 
und Pensionsanspruch sich der Verurteilung entziehen kann (das Disziplinar- 
verfahren ist in diesem Falle einzustellen) darf nicht gegen die strafrecht- 
liche Natur der Disziplinargerichtsbarkeit angeführt werden. Vielmehr läßt 
gerade das RBG $S 12 ff, den strafrechtlichen Charakter der Disziplin sehr 
entschieden hervortreten. Derselbe zeigt sich auch darin, daß in $118 dem 
‘Kaiser in bezug auf die Disziplinarstrafen ein Begnadigungsrecht ein- 
geräumt ist. 
18 Mit der hier vertretenen Auffassung im wesentlichen überein- 
stimmend: Meves in Holtzendorffs Haudb. d. StrR 8 939, Dollmann, Art. 
Amtsverbrechen und Amtsvergehen, Staatswörterbuch 1 219; Poezl, Staats- 
wörterbuch 696; Seydel, a. a. ©. 271ff.; Leoni, Öffentl. Recht von Elsaß- 
Lothringen 1 142; Zorn, StR 1 328; H. Schulze, PrStR 1 324, LehrbDStR 
$ 132 S. 331; Ulbrich, Österr. StR 93; E. Loening, VR 127, 128 N. 5; 
.Mayer, Kirchenhoheitsrechte des Königs von Bayern 198; v. Kirchenheim, 
LehrbDStR 219 ff.; Haelschner, StrR 2 1020; Labes, AnnDR 1889 248, 255, 
267; Haenel, StR 1 456ff.; Friedrichs im VerwArch 6 369; Hubrich, 
Parlamentarische Redefreiheit 10; O. Mayer, VR 2% 241 sieht die Dis- 
ziplinarstrafen als poenae medicinales an, weil sie eine Besserung 
bezwecken. Diese Auffassung ist aber nicht zutreffend. Für die poena 
medicinalis ist charakteristisch, daß sie mit erfolgter Besserung aufhört, 
dieser Grundsatz findet aber auf Disziplinarstrafen keine Anwendung. Ein 
Besserungszweck kommt nicht bloß bei poenae mcedicinales vor, er kann 
auch mit Strafen, welche im gewöhnlichen Strafverfahren verhängt werden, 
verbunden sein. Und bei einer sehr wichtigen Disziplinarstrafe, nämlich der 
der Dienstentlassung, steht der Gesichtspunkt der Besserung überhaupt nicht 
in Frage. 
m Ebenso O. Mayer, VR 2 245 N. 19; Laband 1 491, 492; Bornhak, 
PrStR 2 61 ff.; Seydel-Filo ‚ Bay. StR 1 810 N. 117; Reindl, Bay. BG 505, 
506, 541. A. M. die Voraufl. 528. 
 
	        
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