Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. 8 157. 651 
zehnten Jahrhunderts sprachen sich entweder in dem Sinne aus, 
daß, sofern die Landesverfassung nicht etwas anderes bestimme, 
die Zuziehung der Stände zu der Gesetzgebung im freien Be- 
lieben des Landesherrn stehe?, oder sie beschränkten die 
ständische Mitwirkung auf den Fall, wo durch die Gesetze die 
Rechte und Privilegien der Stände selbst berührt wurden !°. Mit 
diesem Grundsatze stimmte auch die Praxis der Reichsgerichte 
überein !!, 
Durch die konstitutionellen Verfassungen dieses Jahrhunderts 
ist das Mitwirkungsrecht der Volksvertretungen (Landtage) bei 
der Gesetzgebung zu einem allgemeinen verfassungsmäßigen 
Grundsatze erhoben worden. Damit ist auch der Unterschied 
zwischen Gesetzen im formellen Sinne und Verord- 
nungen entstanden '!®, 
b) Gesetze im formellen Sinne. 
8 157. 
Das Recht der formellen Gesetzgebung steht in den kon- 
stitutionell- monarchischen Staaten Deutschlands der „Legisla- 
tive“ (oben 642) das heißt dem Monarchen (der „Regie- 
rung“) unter Mitwirkung des Landtages zu!. [Der Anteil 
dieser beiden „gesetzgebenden Faktoren“ an der gesetzgebenden 
Gewalt ist faktisch gleich groß und es ist unter diesem Gesichts- 
punkte ein zutreffender Ausdruck für das was ist, wenn z.B. die 
preußische Verfassung, Art. 62 sagt, daß die gesetzgebende Ge- 
walt durch König und Landtag „gemeinschaftlich ausgeübt werde“. 
Indessen überragt doch formell, rechtlich, die Rolle des Monarchen 
  
_ 
  
Einen Überblick über die Beteiligung der Landstände bei der Gesetzgebung 
in den einzelnen deutschen Territorien gibt J. J. Moser, a. a. O. 361 ff. 
® Nicol. Myler ab Ehrenbach, De prineipibus et statibus imperii Romano- 
Germanici, Tübingen 1685, P. II cap. 29 Rs 9 und 10; Christ. Thomasius, 
De statuum imperii potestate lepis atoria contra ius commune $$ 60 ff.; 
Pfeffinger, Corpus iuris publici Lib. III Tit. XVII $ 16. 
10 Dav. Geo. Struben, Nebenstunden T. II Abt. 10 812, Rechtliche Be- 
denken T. III Bed. 84, Gründlicher Unterricht von Regierungs- und Justiz- 
sachen Sect. II $ 8b; Pütter, Institutiones $ 223; Häberlin, Handbuch des 
teutschen Staatsrechtes Bd. IL 50 ff. und 168ff.; Leist, Lehrbuch des teutschen 
Staatsrechtes $ 109; Gönner, Teutsches Staatsrecht $ 289. 
11 Vgl. die Anführungen bei Struben, Rechtliche Bedenken, a. a. 0. 
12 Vgl. oben $ 155 S. 642 ff. 
1 Preuß. Verf. Art. 62, Bay. Verf. Tit. VII $ 2, Sächs. Verf. $ 86, Wüttt. 
Verf. de Bad. Verf. $ 65, Hess. Verf. Art. 72, S.-Weim RGG 84, S.-Mein. 
GG 885, S.-Alt. GG 8 201, S.-Kob.-Goth. StGG 8 104, Braunschw. NLO $ 98, 
Old. StGG Art. 186, Anh. LO 8 19, Schw.-Sondh. LGG $ 34, Schw.-Rud. GG 
8 24, Reuß ä.L. Verf. $ 62, Reuß j.L. StGG $ 63, Lipp. G., die den Land. 
ständen in bezug auf die Beteili ung an der Gesetzgebung zustehenden Rechte 
betr., vom 8. Dez. 1867 $ 1, d.. ie Zusammensetzung des Landtages und 
die Ausübung der Rechte desselben betr., vom 8. Juni 1876 $ 2, Schaumb.- 
Lipp. Verf. Art. 30, Wald. Verf. $ 6.
	        
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