664 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 158.
nur solange, als das Gesetz noch nicht für den Monarchen selbst
bindend, m. a. W., solange es noch nicht verkündigt istd (s.
unten 4).
staatsrechtliche Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses erlösche. Diese
(früher auch von Laband — bis zur3. Aufl. seines Staatsrechts — geteilte) Ansicht
ist unrichtig: der von Roenne herangezogene Grundsatz der Diskontinuität
der Sitzungsperioden (oben $ 103 S. 360) bezieht sich nur auf die Behand-
lung einer Angelegenheit innerhalb des Landtags (der einzelnen Kammer),
nicht auf das Verhältnis des Landtags zur Regierung. — Nach G. Meyer
(Voraufl. 569, 570); Rosin, PolVerordR 254 N. 3; Schulze, Preuß, StR 2 23;
Scheibke, Die Frist für Sanktion und Publikation von Gesetzen (1909); Born-
hak, Preuß. StR 1 530; Müller, AnnDR 19014 306 und den in der Voraufl.
158 N. 19 noch zitierten weiteren Schriftstellern kann die Sanktion zwar
über den Schluß der Session hinaus verschoben werden, muß aber spätestens
bis zum Schluß der betreffenden Legislaturperiode erteilt werden
(widrigenfalls sie als verweigert gelte). Denn der neugewählte Landtag sei
ein anderer als der, welcher die Zustimmung zu dem Gesetze erteilt hatte.
Das Parlament ist nicht unabhängig von den Personen, aus denen es ge-
bildet wird... Jeder nicht sanktionierte Gesetzesbeschluß erlischt mit
Wegfall desjenigen Parlamentes, welches ihn gefaßt hat“ (Scheibke, a.a.O.
124, 127). Diese Meinung verwechselt den Individualwillen der einzelnen
Landtagsmitglieder mit dem ÖOrganwillen des Landtags. Nur auf den
letzteren, nicht auf ersteren kommt es an, Die Ansicht der jeweiligen
Landtagsmitglieder kann wechseln — übrigens nicht nur von Legislatur-
periode zu Legislaturperiode, sondern von Session zu Session, ja von Sitzung
zu Sitzung —, der einmal gefaßte Beschluß des Landtags aber bleibt hier-
von unberührt; er verliert seine Kraft nicht dadurch, daß an Stelle der
Menschen und Meinungen, welche ihn zustande brachten, andere treten.
Vgl. auch unten 8 163 S. 679 ff. (Reichsgesetzgebung).
Die legislativen Parlamentsbeschlüsse bleiben mithin, sofern das Gesetz
nicht ausdrücklich ein anderes bestimmt, dauernd und ohne Endtermin
sanktionsfähig. Die ausdrückliche Bestimmung eines Endtermins kann auch
im Einzelfalle, dadurch erfolgen, daß das Gesetz den Tag seines Inkraft-
tretens entsprechend festsetzt („Dieses Gesetz tritt spätestens am... in
Kraft“). — Die vorstehend und im Text vertretene Ansicht ist jetzt die
herrschende. Vgl. Laband, StR 235 ff.; v. Roenne-Zorn 8 19, 43 (nicht vdlli
widerspruchsfrei); Jellinek, Ges. u. Verordn. 300 f., 330; Anschütz, Enzykf
157; Fleischmann a. a. O. 86 ff.; Göz, Württ. StR 86, 214; „Tägliche Rund-
schau“ 1904 Nr. 127, 185 (Gutachten von Kahl, Anschütz, Arndt); Schoen im
HdbPol 1 288; v. Sarwey, Württ. StR 2 62; Seydel, RV 118ff.; Dambitsch,
Komm. z. RV 177ff.; Pabst, Die Sanktions- und Publikationsfrist für Ge-
setze (1909); A. Kleine, Besteht eine Zeitgrenze usw. (Leipz. Diss. 1905);
Rauschenberger, Der Anteil des Bundesrats an der Reichsgesetzgebung
(Heidelb. Diss., 1906), 44 ff. „Diese Ansicht entspricht auch der Staatspraxis. Die
Meinung Frormanns, ArchÜfR 14513: „Man muß dem monarchischen Organe ein
je nach den Umständen zu bemessendes modicum tempus belassen, innerhalb
dessen es seine Sanktion zu erteilen vermag; läuft diese Frist ab, ohne daß
die Sanktion erklärt worden ist, so verliert die gesetzgeberische Willens-
erklärung der Volksvertretung über den Gesetzentwurf ihre Wirksamkeit“
ist willkürlich und außerdem praktisch unbrauchbar, denn was ist „modicum
tempus“ und wer soll darüber entscheiden, ob der mit diesem Ausdruck be-
zeichnete Tatbestand vorliegt ?
d Übereinstimmend G. Meyer in der Voraufl. 568, 569 und in seiner
Schrift Anteil der Reichsorgane 39f£.; Anschütz, Enzyki. 157; Seydel-Piloty,
Bay. StR 1 842; Fleischmann, a. a. O. 62ff.; Schoen, a. a. 0. 289. A.M.
Marschall von Bieberstein, Verantwortlichkeit und Gegenzeichnung bei An-
ordnungen des obersten Kriegsherrn 523, 5%.