Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

682 Zweiter Teil. Drittes Buch. 8& 168. 
ist nur eine Vorbedingung, welche erfüllt sein muß, damit die 
Sanktion stattfinden kann. Auch ein vom Bundesrate an den 
Reichstag gelangter Gesetzentwurf, welcher von diesem unverändert 
genehmigt ist, bedarf, um Gesetz zu werden, einer nochmaligen 
Annahme seitens des Bundesrates, 
Der Kaiser ist weder bei der Feststellung des Gesetzes- 
inhalts noch bei der Sanktion beteiligt und insoweit kein selb- 
ständiger Faktor der Gesetzgebung; seine Mitwirkung bei der 
letzteren beschränkt sich auf die mehr formalen Tätigkeiten der 
Ausfertigung und Verkündigung der Gesetze. Er hat das Recht 
und die Pflicht, die vom Bundesrat und Reichstag verfassungs- 
mäßig zustandegebrachten Gesetze auszufertigen und zu publi- 
zieren. 
tagssitzung vom 12. Jan. 1882 (StenBer 592); Schoen im HdbPol 1 290. Die 
Anwendbarkeit des Begriffes der Sanktion auf das deutsche Reichsstaats- 
recht bestreiten: Gierke in Grünhts Ztschr. für d. Privat- und öffentliche Recht 
der Gegenwart 6 230, DPrivR 1 131; Kolbow, a. a. O. 88ff.; Affolter, Allg. 
StR 69; Rosenberg, in den AnuDR 19.0 577 ff. Vgl. gegen die in dieser 
Hinsicht erhobenen Bedenken die N.2 zitierte Schrift G. Meyers. 47 ff. [Nach 
Laband, a. a. O. ist der Reichstag wohl an der Feststellung des Gesetzes- 
inhaltes, nicht aber an dem Erlaß dea Gesetzesbefehls beteiligt, welcher 
letztere, als Sanktion, dem Bundesrate allein zustehe. Diese Ansicht ist die 
heute herrschende. vgl. oben & 158 S. 665 Anm.e. Gegen sie Lukas in der 
dort angef. Schrift, auch Rauschenberger, Der Anteil des Bundesrates an 
der Reichsgesetzgebung (Heidelberger Diss., 1906), 12 ff. Ein Sanktionsrecht 
des Kaisers behauptet Bornhak im ArchOffR 8 460 ff. unter Berufung auf 
die Anm. 14 dieses Paragraphen erwähnte Publikationsformel. Letztere kann 
aber gegenüber den Bestimmungen der Verfassung nicht maßgebend sein 
und die Bildung eines Gewohnheitsrechts ist in dem Gebrauche derselben 
nicht enthalten. Vgl. Laband, StR? 35 N. 2, Kl. A. 123, 124; Seydel, Komm. 
zu Art. 17 Nr. I: Frormunn, a. a 0. 76 ff. 
6 Diese Ansicht ist die communis opinio der staatsrechtlichen Schrift- 
steller, sie wurde auch von Fürst Bismarck geteilt (Gedank. und Erinner. 2 
306). Vgl. hierzu Anschütz, Bismarck u.d. RVerf32. Die Ansicht Bismarcks 
ist adoptiert.in der kaiserlichen Thronrede vom 27. Juni 1888 (v. Seydel, 
Komm. 173). Übereinstimmend: Hiersemenzel zu Art. 17, Il; Thudichum, 
VerfR 88; Riedel zu Art.17 I; Westerkamp 130 ff.; Seydel, Komm. z. Art. 2 
Nr. VI und 17 Nr. I; R. v. Mohl, DRStR 291; Laband, StR ? 42 ff, Kl. A. 
124ff.; v. Rönne, a. a. O0. S 66 S. 49; Haenel, a. a. O.; Proebst, VerfDR zu 
Art.5 Nr.2; H. Schulze, LehrbDStR2118; v. Kirchenheim, LehrbDStR 115; 
Kolbow, a. a. O. 73ff.; Zorn, a. a. O. 416; Fischer, Recht des deutschen 
Kaisers 156; Binding, Rechtliche Stellung des Kaisers 15; Rehm, Unitarismus 
und Föderalismus in der deutschen RVerf 16; Frormann, a. a.0. 54 ff.; An- 
schütz, Enzykl. 158, im WStVR 2 216; Schoen, HdbPol 290, 291. — Anderer 
Ansicht: v. Martitz, Betrachtungen 53 und Dernburg, Pandekten 1 55, 
welche behaupten, daß die Verkündigung der vom Bundesrat und Reichstag 
beschlossenen Gesetze im Belieben des Kaisers stehe. Dieser Ansicht steht 
jedoch die Bestimmung des Art. 5 der Reichsverfassung entgegen, wonach 
zu einem Reichsgesetze die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider 
Versammlungen erforderlich und ausreichend ist. Auch würde die dem 
Präsidium“ (d.h. Preußen) im Art. 5 der RVerf eingeräumte Befugnis, auf 
dem Gebiete des Zoll-, Militär- und Marinewesens gegen die Abänderung 
der bestehenden Einrichtungen Widerspruch zu erheben, völlig überflüssi 
sein, wenn der König von Preußen als Kaiser die Befugnis hätte, den Erlaf
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.