688 Zweiter Teil. Drittes Buch. $& 163.
unterzogen werdeng. Unberührt aber bleibt das Recht des
Bundesrates und des Reichstages, den Reichskanzler wegen
einer rechtswidrigen Gesetzesausfertigung zur Verantwortung zu
ziehen.
al die Ausfertigung des Reichsgesetzes erfolgt
6. die Verkündigung (Publikation) desselben von
Reichs wegen!®. Die Anordnung derselben geschieht durch den
Kaiser !*, der Vollzug dieser Anordnung durch den Reichskanzler.
Die Verkündigung steht aber nicht im Belieben des Kaisers,
sondern muß erfolgen, wenn ein übereinstimmender, sanktionierter
Beschluß von Bundesrat und Reichstag vorliegt!®. In der Pu-
blikationsformel wird die Zustimmung von Bundesrat und Reichs-
tag erwähnt!®, Die Verkündigung erfolgt vermittelst eines Reichs-
gesetzblattes, welches im Reichsamt des Innern herausgegeben
wird!”. Sofern nicht in einem publizierten Reichsgesetze ein
anderer Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist,
beginnt die letztere mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des-
jenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des Reichs-
gesetzblattes in Berlin ausgegeben ist!®. In den Konsular-
gerichtsbarkeitsbezirken erlangen neue Gesetze, soweit nicht reichs-
gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verbindliche Kraft: in den
8 Insbesondere ist das sog. richterliche Prüfungsrecht dadurch aus-
geschlossen. Vol unten $ 173.
18 RVerf Art. 2.
14 RVerf Art. 17.
16 [Diese Übereinstimmung, sowie überhaupt das verfassungsmäßige
Zustandekommen des Gesetzes festzustellen und zu beurkunden, ist der Zweck
der Ausfertigung. Vgl. oben im Text.]
16 Die übliche Publikationsformel: „Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden,
Deutscher Kaiser, König von Preußen usw. verordnen im N amen des Deutschen
Reiches nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags“,
ist nicht korrekt. Denn Bundesrat und Reichstag haben einem Reichsgesetze
nicht bloß zuzustimmen, sondern dasselbe festzustellen, und der Bundesrat
hat das Gesetz zu sanktionieren. {Der Kaiser hat nach seiner Stellung im
Gesetzgebungsprozeß nichts zu „verordnen“, d. h. zu sanktionieren, sondern
nur zu prüfen, zu beurkunden („auszufertigen“) und zu verkündizen. Gleicher
Meinung über die Publikationsformel wie hier: Laband ? 36, 37 Anm. 2,
kl. A. 123, 124; Seydel, Komm. 172, 173; beide wenden sich mit Recht gegen
Bornhak, der in der steten Anwendung dieser Formel ein Gewohnheitsrecht
erblicken will, wonach dem Kaiser Sanktion und Veto zustehe. Bornhak
übersieht, daß es hier an einem wesentlichen Erfordernisse der Gewohnheits-
zechtebildung fehlt, nämlich an der Überzeugung der Übenden von
der rechtlichen Notwendigkeit ihres Tuns. Die Publikationsformel der
Reichsgesetze ist „ohne viel Nachdenken“ (Seydel, a. a. O. 172) den landes-
rechtlichen Formeln nachgebildet und seither, gleichfalls ohne viel
Nachdenken, also nicht opinione necessitatis, beibehalten worden. Gesetzlich
vorgeschrieben oder festgelegt ist sie nirgends. Wie im Text auch Schoen,
Handb. d. Pul. 291. Dagegen wird die staatsrechtliche Korrektheit der
Formel verteidigt von Dambitsch, Komm, z. RV 49, 50.]
1! RV Art. 2,V. betr. die Einführung des Bundesgesetzblattes für den
norddeutschen Bund, vom 26. Juli 1867.
18 RV Art. 2,