Die Funktionen. 8 165. 109
des gegenwärtigen Weltkrieges ist eine weitreichende Befugnis
dieser Art dem Bundesrate übertragen worden. Es ist dies ge-
schehen durch $ 3 des RG über die Ermächtigung des Bundes-
rates zu wirtschaftlichen Maßnahmen vom 4. August 1914 (RGBl
327). Die Ermächtigung lautet:
„Der Bundesrat wird ermächtigt, während der Zeit des
Krieges diejenigen gesetzlichen Maßnahmen anzuordnen, welche
sich zur Abhilfe wirtschaftlicher Schädigungen als notwendig
erweisen.
Diese Maßnahmen sind dem Reichstag bei seinem nächsten
Zusammentritt zur Kenntnis zu bringen und auf sein Verlangen
aufzuheben.“
Auf Grund dieser Bestimmung sind außerordentlich zahlreiche
Verordnungen des verschiedensten Inhaltes erlassen worden. Sie
sind durch den Reichskanzler oder seinen Stellvertreter im RGBl
publiziert worden b.]
' 2. Spezielle gesetzliche Ermächtigungen kommen in einer
großen Zahl von Reichsgesetzen vor. Ein Teil der auf Grund
solcher Ermächtigungen erlassenen Verordnungen muß später dem
Reichstag vorgelegt werden. Die Vorlegung hat jedoch eine
doppelte Bedeutung.
a) Die erste Gruppe der fraglichen Verordnungen bilden die-
jenigen, welche dem Reichstag zur Genehmigung vorzulegen
sind!®, Die betreffenden Angelegenheiten werden grundsätzlich
m mn
walt an das Zusammenwirken zweier untereinander unabhängiger Organe
ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, zu dem Zwecke nämlich,
das Volk in Gestalt seiner Vertreter bei der Gesetzgebung zu beteiligen.
Dieser Zweck soll aber unter allen Umständen erreicht und gesichert
werden, selbst auf die Gefahr hin, daß durch das Nichtzustandekommen
einer Einigung zwischen den gesetzgebenden Faktoren die Staatsbedürfnisse
Schaden leiden. Die Besorgnisse v. Jagemanns sind nichts anderes als
Bedenken der absolutistischen gegen die konstitutionelle Staatsanschauung,
welche seinerzeit bei der Annahme des konstitutionellen Systems nirgends
übersehen, sondern überall erwogen wurden. Inwieweit man geneigt war,
diesen Bedenken Rechnung zu tragen, ist in jeder Verfassung ausdrücklich
bestimmt. Wenn eine Verfassung, wie die Reichsverfassung, über das Institut
des Notverordnungsrechts schweigt, so ist damit gesagt, daß sie diese
Einrichtung hat verwerfen wollen; die möglichen Schattenseiten der
Nichtzulässigkeit von Notverordnungen sind hierbei bewußtermaßen mit in
Kauf genommen. — Das Notverordnungsrecht in Elsaß-Lothringen ist
natürlich eine Sache für sich, vgl. darüber unten $ 166.]
b Über dieses Notverordnungsrecht des Bundesrates vgl. Waldecker in
AnnDR 1914 658ff.. 1915 323 Anm. 24; Schmidt, Zur Theorie der Kriegsnotgesetze,
Ztsch.f.d. ges. Strafrechtswiss.87 69 ff.; Schiffer in der DJZ20746, 1158 ff.; Laband,
Das. 838 ff.; Levin, Das. 966 fi., Entsch. des RG v. 21. Mai 1915, das. 10383,
38 Beispiele: Verordnungen des Bundesrates über konzessions flichtige
ewerbliche Anlagen (RGewO $ 16); kaiserliche Verordnungen, durch welche
Bestimmt wird, daß die Verletzung von Gesetzen, obgleich deren Geltungs-
bereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichtes hinaus erstreckt, die
Revision nicht begründet oder daß die Verletzung von Gesetzen, obgleich
deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichtes