Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 165. 71 
setzt. Die betreffenden Erlasse behalten daher auch nach einer 
etwaigen Beschlußfassung des Reichstages den Charakter von Ver- 
ordnungen und können jederzeit auf dem Verordnungswege wieder 
abgeändert oder beseitigt werden. Abänderungen sind dem Reichs- 
tag gleichfalls vorzulegen, dagegen ist bei einer Aufhebung der- 
selben eine Mitteilung an den Reichstag nicht notwendig, da diese 
Mitteilung ja nur erfolgt, um dem Reichstag die Möglichkeit zu 
geben, die Aufhebung seinerseits zu verlangen. 
[Betreffs der Verkündigung der kraft reichsgesetzlicher 
Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnungen gelten die oben $ 159 
S. 673 dargelegten allgemeinen Grundsätze (vgl. auch die dort, 
Anm. d angegebene Literatur). Eine rechtliche Notwendigkeit, 
solche Verordnungen im RGBl zu verkündigen, besteht nur in- 
soweit, als dies ausdrücklich durch Gesetz und Verordnung vor- 
geschrieben ist. Das ist geschehen bezüglich der „Anordnungen 
und Verfügungen des Bundespräsidiums*, durch die Verordnung 
des Präsidiums des Norddeutschen Bundes vom 26. Juli 1867 
(BGBl 24). Diese Vorschrift, unter welche selbstverständlich 
auch — und in erster Linie — Rechtsverordnungen fallen, be- 
deutet seit Gründung des Reiches, daß im RGBl zu publizieren 
sind sämtliche Rechtsverordnungen des Kaisers, welche von ihm 
innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des ehemaligen Bundespräsi- 
diums (im Gegensatz zu der Sphäre, welche im Norddeutschen 
Bunde dem König von Preußen als Bundesfeldherr und als Ober- 
befehlshaber der Marine zugewiesen war) erlassen werden. Da- 
gegen bedürfen die vom Bundesrate, insbesondere auf Grund 
des Art.7 Abs.1 Ziff. 2 RV*®, sowie die von den Reichsbehörden 
ce Vgl. oben & 127 S. 495 —497. 
32 In bezug auf diese Ausführungsverordnungen des Bundesrates will 
Haenel, StR 1 289 ff, dem Bundesrat nur ein mittelbares Verordnungsrecht 
zugestehen. Der Bundesrat hat nach seiner Ansicht die Verordnungen 
lediglich festzustellen, die verbindliche Einführung derselben muß durch die 
Regierungen der Einzelstaaten erfolgen. Er beruft sich dafür auf den Wort- 
laut des Art. 7 der RV, nach welchem der Bundesrat über diese Ver- 
ordnungen nur „beschließt“, auf die Bestimmungen des Zollvereinsvertrages 
vom 16. Mai 1865 und auf den Grundsatz, daß bei denjenigen Gegenständen, 
welche nur der Gesetzgebung und Aufsicht des Reiches unterliegen, die 
Vollziehung den Einzelstanten als verfassungsmäßiges Recht zusteht. Der 
Ausdruck „beschließt“ in Art. 7 der RV beweist aber durchaus nichts und 
erscheint auch bei entgegengesetzter Auffassung völlig korrekt. Als Kollegium 
ist der Bundesrat nur imstande, Beschlüsse zu fassen. Zur Verkünduug der- 
selben bedarf es stets noch der Tätigkeit eines anderen Organs. Diese 
Tätigkeit braucht aber nicht notwendig in den Händen der Einzelregierungen, 
sondern kann ebensowohl in denen eines Reichsorgans (Kaiser, Reichs- 
kanzler) liegen. Die Bestimmung"n des Zollvereinsvertrages vom 16. Mai 
1865 sind bei der völligen Umgestaltung, welche die Organisation des Zoll-. 
wesens seit dieser Zeit erfahren hat, für die Beurteilung des jetzigen Rechts- 
zustandes nicht als maßgebend zu erachten Auch die Praxis, auf welche 
Haenel, a. a.0. 292 sich beruft. steht ihm nicht zur Seite. Wiederholt sind 
Verordnungen, die auf Grund des Art. 7 der RV erlassen wurden, im 
Reichsgesetzblatt publiziert worden. So die von ihm selbst erwähnte V.
	        
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