Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 174. 745 
B. Eben die Gründe, welche das richterliche Prüfungsrecht 
gegenüber Gesetzen verneinen ließen, führen dazu, dieses Recht 
bei Verordnungen zu bejahen, d. h. den Gerichten das 
Recht und die Pflicht zuzuerkennen, Verordnungen aller Art, 
die ihnen mit dem Anspruch auf Anwendung entgegentreten, nicht 
nur auf die formelle Korrektheit ihres Zustandekommens, ins- 
besondere ihrer Verkündigung, sondern auch auf ihre materielle 
Gesetzmäßigkeit zu untersuchen und ihnen, falls sie der Prüfung 
nicht standhalten, die Anwendung zu versagen. Denn was für 
das Verhältnis der Verfassung zum (einfachen) Gesetz nicht zu- 
trifft, gilt für das Verhältnis des Gesetzes zur Verordnung: das 
Gesetz ist der Verordnung gegenüber eine Norm 
höheren Ranges (oben 742, 743). Die Prüfung erstreckt sich 
sowohl darauf, ob betreffs des durch die Verordnung geregelten 
Gegenstandes der Verordnungsweg überhaupt zulässig, als auch 
darauf, ob die verordnende Stelle zum Erlaß der Verordnung sach- 
lich und örtlich zuständig warr. 
4. Einfluß der Verwaltungsorgane auf die Justiz. 
8 174. 
Während die Rechtsprechung, d. h. die Entscheidung der 
Zivil- und Strafprozesse, ausschließlich in den Händen der Gerichte 
liegt, stehen den höheren Verwaltungsorganen gewisse Befugnisse 
zu, welche sich auf die Besetzung und Tätigkeit der Gerichte 
beziehen. Man bezeichnet sie als Funktionen der Justiz- 
verwaltung!. Die Ausübung derselben liegt in den monarchisch 
regierten Einzelstaaten in den Händen des Monarchen und des 
Justizministers, in den Freien Städten in denen des Senates, im 
Reiche in denen des Kaisers und des Reichskanzlers, welcher sich 
zur Bearbeitung der betreffenden Angelegenheiten des Reichs- 
justizamtes bedient ?®. 
Die Befugnisse dieser Art sind: 
1. Das Recht der Besetzung der Gerichte, und zwar 
sowohl das Recht der regelmäßigen Besetzung mit ständig an- 
  
achtet, nicht anzuwenden. Vgl. Freund a. a. 0.84 ff.; Triepel in der Laband- 
Festschrift 1908, 2 279; E. v. Meier, Französ. Einflüsse I 103; W. Loewy, 
Die bestrittene Verfassungsmäßigkeit der Arbeitergesetze in den Verein. 
Staaten von Nordamerika (1905); Schack a. a. O. 115 ff., 138 ff., 284 ff. 
r Hierüber besteht nahezu allgemeines Einverständnis; vgl. Voraufl. 
633; Laband, StR 2 106 ff.; v. Seydel-Piloty 1 862; Jellinek, Ges. u. Verordn. 
406 ff.; Arndt, Komm. z. RV 65; Daınbitsch, Komm, z, RV 65; Anschütz 
Enzykl. 167; Zorn, Reichsstaatsr. 1 484; Kahn, AnnDR 197 611 ff.; RGZ 
24 3ff., 10 76, 58 88. — Abweichend wohl nur O. Mayer, Verwaltungsr. 
(1. Aufl) 1382 N. 17. 
ı v, Risch, Art. „Justizverwaltung“ in v. Stengels Wörterbuch des 
deutschen Verwaltungsrechtes (1. Aufl), Erg. Bd. 2 125ff.; Simeon, Art. 
„Justizverwaltung“ im WStVR, 
* y. Stengel, Art. „Justizministerium“ in v. Stengels Wörterbuchı 
2.2. 0. 120 ff.
	        
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