Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 176. 753 
Schriftstellern des achtzehnten und noch von vielen Schriftstellern des 
neunzehnten Jahrhunderts gebraucht. Ban teilte die gesamte Polizei 
in Sicherheits- und Woblfahrtspolizei ein. Erstere sollte 
den Einzelnen gegenüber den ihn bedrohenden Gefahren beschützen, 
letztere Anstalten zur positiven Förderung der menschlichen Ent- 
wicklung herstellen. 
Diesen weiten Begriff der Polizei suchte schon die [im Boden 
des Naturrechts wurzelnde] Theorie des achtzehnten Jahrhunderts 
einzuengen, indem sie die Tätigkeit der Polizei auf die Abwendung 
von Gefahren beschränkte®. Diese Theorie gewann einen höchst 
bedeutsamen Einfluß auf die Gesetzgebung. Namentlich macht 
sie sich an derjenigen Stelle des preußischen Allgemeinen 
Landrechts geltend, wo die Befugnisse der Polizeibehörden 
und damit die Schranken der Polizeigewalt festgestellt werden 2. 
—. —— 1 —— 
6 Pütter, Institutiones juris publici $ 331: „Ea supremae potestatis 
pars, qua exerectur cura avertendi mala futura in statu reipublicae 
interno metuenda dieitur ius politiae... Promovendae salutis cura 
proprie non est politiae“. 
» ALR Th. II Tit. 17 8 10. Diese grundlegend wichtige Bestimmung 
lautet: „Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicher- 
heit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico oder einzelnen 
Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu tretien, ist das Amt der 
Polizei.“ Es ist das Verdienst der obersten preußischen Gerichtshöfe, des 
Oberverwaltungsgerichts und des Kammergerichts, die Bedeutung und Trag- 
weite des $ 10 a.a.O. in zahllosen Anwendungsfällen festgestellt und damit 
der Polizeipraxis sichere Grundlagen und Schranken angewiesen zu haben. 
Von bahnbrechender Bedeutung für Praxis und Wissenschaft ist nament- 
lich die Entsch. des OVG v. 14. Juni 1882, 9 353 f. Über diese Judikatur 
vgl. insbes. Rosin, VerwArch 8 252 ff., Biermann, Privatrecht und Polizei 
in Preußen (Berlin 1897), Anschütz, im VerwArch 5 406 ff., 6 608 ff. und im 
PrVerwBl ® 85 ff.; Friedrichs, Polizeigesetz 7ff.; W. Jellinek, Gesetz, Ge- 
setzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung 211 ff. — Die in dem $ 10 
ALR II 17 entbaltene Legaldefinition der Polizei gilt nicht nur im Geltungs- 
bereich des Allg. Landrechts, sondern im ganzen Gebiete des preußischen 
Staates (unstreitig, das Warum jedoch bestritten; eingehendste Darstellung 
der Streitfrage bei Friedrichs a. a. O. 2ff.). — Der $ 10 II, 17 bildet die 
positive Rechtsgrundlage sowohl des Verfügungs- wiedesVerordnungs- 
rechts der Polizeibehörden (Orts- und Landespolizeibehörden). So die 
herrschende Meinung im Anschluß an die vorhin erwähnte Rechtsprechung. 
A.M. ist Rosin, welcher behauptet (s. die Zitate in der vor. N., bes. Verw- 
Arch 8 249 ff.), daß die polizeiliche Verordnungsgewalt, im Gegensatz zu 
der Verfügungsgewalt in Preußen durch $ 10 a. a. O. nicht beschränkt sei, 
Polizeiverordnungen (vgl. oben $ 160) mithin nicht nur zur Aufrechterhaltung 
der Sicherheit und Ordnung, sondern auch zur Förderung der Wohlfahrt. 
erlassen werden könnten. Diese Ansicht ist hnrichtig. Sie hat in der 
Literatur nur wenig Anklang gefunden (vgl. die bei Friedrichs, Polizei- 
esetz 7 angetührten Anhänger Rosins, dazu noch Bühler, die subj. Öffentl. 
echte und ihr Schutz in der Verwaltungsrechtsprechung (1914) 184 ff. und 
Julius Friedrich, Polizeiverordnung und Polizeiverfügung, im Handb. des 
kommunalen Verfass.- u. Verwalt.R., Sonderabdruck S. 7). Gegen sio hat 
sich die große Mehrheit der Schriftsteller ausgesprochen; vgl. Friedrichs, 
Polizeigesetz 7 (Zitate) 189, 190, dazu noch Schultzenstein 1)JZ 1902 469; 
W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung usw. (1913), 272. Die Rechtsprechung 
des preuß. OVG und KG lehnt sie gleichfalls ab; vgl. Angaben bei Friedrichs 
a. a. O. 89, 189, dazu noch OVG 61 123, 341, 69 891. Sowohl Polizeiver-
	        
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