Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. 8 180. 7167 
seiner ‘Behörden erlitt, Klage bei den Reichsgerichten 
erhoben werden®. Eine solche erschien auch dann als zulässig, 
wenn die betreffende Verfügung Ausfluß eines landesherrlichen 
Hoheitsrechtes war. Aber damit war keineswegs eine Kontrolle 
der Justiz über die Verwaltnng begründet. Denn auf Reichs- 
regierungssachen erstreckte sich die Zuständigkeit der Reichs- 
gerichte nicht, und bei Beurteilung der Regierungshandlungen der 
Landesherren und landesherrlichen Behörden waren die Reichs- 
gerichte nicht an eine Entscheidung nach Rechtsgrundsätzen ge- 
bunden, sondern urteilten gleichzeitig auch nach Gesichtspunkten 
der Zweckmäßigkeit. Dieser Rekurs an die lteichsgerichte blieb 
bis zur Auflösung des Reiches grundsätzlich bestehen, wenn auch 
die Landesherren sich fortdauernd bemühten, ihm reichsgesetzliche 
Schranken zu ziehen®. Tatsächlich war er jedoch den größeren 
Territorialgewalten gegenüber nicht durchführbar. In einzelnen 
Ländern wurde die Entscheidung über Rekurse wegen mißbräuch- 
licher Ausübung der Hoheitsrechte auf die obersten Landesgerichte 
(Tribunale, Oberappellationsgerichte) übertragen; dadurch bildete 
sich dort eine gewisse Kontrolle des obersten Gerichtshofes über 
die Verwaltung aus® Dagegen wurde in den meisten Territorien 
der Grundsatz ausgesprochen, daß die Entscheidungen der Landes- 
gerichte sich auf die Ausübung von Regierungsrechten nicht zu 
erstrecken hätten®, 
Eine prinzipielle Scheidung zwischen Justiz und 
Verwaltung nahm zuerst das französische Dekret vom 16./24. 
August 1790 vor, indem es [der Lehre Montesquieus entsprechend] 
un 
® Bähr, Rechtsstaat 110 ff.; E. Meier, Zeitschrift für deutsches Staats- 
recht 279; Gneist, Rechtsstaat 81 ff.; E. Loening, Deutsches Verwaltungs- 
recht $ 199 S. 773 ff., derselbe, Gerichte und Verwaltungsbehörden 1—18; 
Bornbak, Preuß. StR 2 431 fi. 
+ R. A. von 1594 $S 94, 95, RHO von 1654 Tit. II $ 2, JRA 88 105 u. 
106, WK Art. 15, Art. 19 8 6. 
a Vgl. Loening, Gerichte u. Verwaltungsbehörden 15 ff. — Rechtlich 
ist aber die Klage bei den Reichsgerichten wegen Mißbrauchs der Landes- 
hoheit bis zum Untergang des alten Reiches überall zulässig gewesen. Daß 
diese Klage durch die privilegia de non appellando (oben $24S.84, 8255. 87) 
ausgeschlossen gewesen sei, wie die Vornufl. S. 656 meiut, ist ein Irrtum; 
vgl. oben S. 87, Loening a. a. O. 4, Bornhak, Preuß. StR 2 4833, 
5 Namentlich in Hessen-Kassel (Bähr a. a. O.S. 135 ff.) und Schwe- 
disch-Pommern (E. Meier a. a. O. S. 281). 
® Namentlich geschah dies in Preußen durch zahlreiche Reskripte 
der Könige Friedrich I, Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. Keskript 
vom 28. Dezember 1695 (Mylius, corpus constitutionum Marchicarum, I, 1, 205), 
vom 16. Oktober 1706 (a. a.0. II 4, 23), vom 6. April 1709 (a. a. O. II 4, 41), 
vom 18. April 1709 (a. a. O. II 4, 48), Allgemeine Ordnung, betr. die Ver- 
besserung des Justizwesens, vom 21. Juni 1713 (a. a.O 11 1, 517). Konstitution, 
wie es mit Expedition der Justizsachen bei den General- und Provinzial- 
kommissariaten zu halten, vom 25. April 1715 (a. a. O. II 1, 569), Ressort- 
reglement vom 19. Juni 1749 (a. a. Ö. IV 163), Näheres hierüber in der 
oben N. 1 angegebenen preußisch-rechtlichen Literatur. 
T Decret sur l’organisation judiciaire du 16./24. aofit 1790. Über dieses 
Gesetz: E. v. Meier, Franz. Einflüsse 1 142 ff.
	        
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