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Kompetenzkonflikte können nur da entstehen, wo eine organische
Trennung von Justiz und Verwaltung stattgefunden hat. Über
die Erledigung derselben bestanden in älterer Zeit verschiedene
Meinungen. Ein Teil der Schriftsteller vertrat den Grundsatz,
daß die Gerichte selbständig über ihre Kompetenz zu entscheiden
hätten, und daß ihre desfallsigen Urteile auch für die Verwaltungs-
behörden maßgebend seien. Andere stellten die Ansicht auf, daß
die Entscheidung zur Kompetenz des Landesherrn gehöre®. In
Preußen wurde schon unter Friedrich dem Großen eine besondere
Kommission [„Jurisdiktionskommission“])] zur Erledigung der
Kompetenzkonflikte eingesetzt, welche aus Mitgliedern des General-
direktoriums (oben 398, 399) und des höchsten Gerichtshofes be-
stand®. Diese Einrichtung wurde jedoch bei Gelegenheit der Re-
organisation der preußischen Verwaltung im Anfang des neun-
zehnten Jahrhunderts wieder beseitigt und die Erledigung der
Kompetenzkonflikte dem Könige vorbehalten*. Auch in andern
deutschen Staaten wurde die Entscheidung derselben durch aus-
drückliche gesetzliche Bestimmung für ein Recht des Monarchen
erklärt,
Seine Ausbildung hat das Institut der Kompetenzkonflikte
hauptsächlich im französischen Recht erfahren. Namentlich
ist das Recht der Verwaltung, den Kompetenzkonflikt zu erheben,
durch die französische Gesetzgebung genau geregelt worden. Die
Entscheidung der Kompetenzkonflikte erfolgte nach den im
Jahre VIII erlassenen und nach kurzer Unterbrechung im
Jahre 1852 wieder in Kraft getretenen Bestimmungen® durch
das Staatsoberhaupt auf Grund eines Gutachtens des Staatsrates,
O. Mayer, VR (2. Aufl.) 1 186 ff.; Fleiner, Instit. 25 fi.; Anschütz in der
Kultur der Gegenwart, Systemat. Rechtswissenschaft 418 ff. — Im Gegen-
satz zu Kompetenzkonflikt spricht man von Kompetenzstreit,
wenn die Zuständigkeit zwischen mehreren Behörden derselben Ressorts
(Gerichten oder Verwaltungsbehörden) streitig ist. Ein solcher Kompetenz-
stzeit wird im Instanzenzuge der Gerichte oder Verwaltungsbehörden er-
gt.
* Vgl. H. A. Zachariä 2 8 177 S. 258 ff.; Loening, Deutsches Ver-
waltungsrecht 7%.
® Instruktion vom 10. Febr. 1756 (Novum corpus constitutionum Mar-
chicarum II 519), [Vgl. Bornhak, Preuß. Staats- und Rechtsgeschichte 208,
209; Loening im VerwArch 2 266, 267 N. 96, 97; Gerichte und Verwaltungs-
behörden 81, 82.]
+ V, wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, Polizei- und
Finanzbehörden vom 26. Dezember 1808 $ 51. Nach der Kabinettsorder vom
30. Juni 1828 sollte bei Kompetenzkonflikten entweder eine Vereinigung des
Justizministers mit dem betreffenden Fachminister stattfinden oder die Sache
beim Staatsministerium geprüft und an den König berichtet werden, welcher
entweder selbst entscheiden oder die Entscheidung dem Obertribunal (oder
rheinischen Revisionshofe übertragen konnte. Näheres bei Loening, Gerichte
u. Verwaltungsbehörden 213 ff.
6 Württ. Verf. $ 59 Ziff. 3 [Beratung im Geheimen Rate obligatorisch];
S-Mein. Ed. vom 21. Januar 1829 Art. 15; S.-Alt. GG 8 46.
Art 1 Reglement vom 5. nivose des J. VIII. Dekret vom 25. Januar 1852.