Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 182. 1sI 
2. In- Frankreich! wurde unter dem Einfluß der Lehre 
von der Gewaltenteilung durch die Gesetzgebung der Revolution 
die Trennung zwischen 5 ustiz und Verwaltung in strengster Weise 
zur Durchführung gebracht und der Grundsatz aufgestellt, daß 
die Tätigkeit der Verwaltungsorgane in keiner Weise der Kontrolle 
der ordentlichen Gerichte unterworfen werden dürfe®, Die Ent- 
scheidung aller Verwaltungsangelegenheiten, einschließlich der 
dabei auftretenden Rechtsfragen, blieb lediglich dem Instanzen- 
zuge der Verwaltungsbehörden überlassen. Erst das Organisations- 
esetz Napoleons I. vom 28. pluviose des Jahres V führte in 
das französische Verwaltungsrecht den Unterschied zwischen reinen 
Verwaltungssachen und  Verwaltungsstreitsachen ein. Erstere 
werden im Instanzenzuge der Verwaltungshierarchie (sogenannte 
voie gracieuse, administration pure), letztere von besonderen 
Organen erledigt (sogenanntes contentieux administratif). Als die 
ordentliche Behörde zur Handhabung des „contentieux“ erscheinen 
nach dem Pluviosegesetz die Präfekturräte (conseils de prefecture). 
Diese besitzen allerdings keine allgemeine Jurisdiktion, sondern 
nur die ihnen durch spezielle Gesetze übertragenen Funktionen. 
Aber die Bemessung ihrer Kompetenz hat in so umfassendem 
Maße stattgefunden, daß sie fast alle Befugnisse des contentieux 
in sich vereinigen, und die daneben bestehende Jurisdiktion der 
Minister, Präfekten, Unterpräfekten, Maires, Spezialkommissionen 
und des Rechnungshofes als Ausnahme erscheint. Die Präfektur- 
räte ermangeln jedoch, da sie aus frei entlaßbaren Beamten be- 
stehen, gegenüber der herrschenden Ministerialverwaltung jeder 
richterlichen Unabhängigkeit. Die Rekursinstanz bildete nach 
der napoleonischen Gesetzgebung das Staatsoberhaupt, welches auf 
Grund eines Gutachtens des Staatsrates entschied®. Durch G. 
vom 9. März 1849 war dem letzteren die alleinige und endgültige 
Aburteilung der Verwaltungsstreitigkeiten übertragen worden; durch 
Dekret vom 25. Januar 1852 wurde aber der alte Zustand wieder- 
1 Vgl. Gneist, Verwaltung, Justiz, Rechtsweg 182 ff.; L. v. Stein, Ver- 
waltungslehre T. 1 Abt. 1 S. 419 ff.; E. v. Meier, (6. Aufl.) 742 ff.; derselbe, 
Französische Einflüsse auf die Staats- und Rechtsentwic ung Preußens 1 
142 ff.; K. v. Stengel, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsgerichts- 
barkeit in Elsaß-Lothringen, AnnDR 1876 808 ff.; 897 ff.; Dareste, La justice 
administrative en France, 2. Edit. Paris 1902; Laferriere, Cours de droit 
politique et administratif, 5&me Edition, Tome II p. 505 ss.; Haurion, Droit 
administratif (7. €d.) 931 ss.; Berthelemy, Droit administratif (7. &d.) 916 ss.; 
E. Loening, Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit, Zeitschrift für 
Gesetzgebung und Praxis auf dem Gebiete des deutschen öffentlichen Rechtes, 
& 337 K, 6 12 ff., 181 ff., 308 ffe; O. Mayer, Theorie des französischen Ver- 
waltungsrechtes 87 g.; derselbe im WStVR 8786 ff,; Hagens, Dig Verwaltun . 
erichtebarkeit in Frankreich und der Conseil d’Etat, im ArchÜfR 17 373 #.; 
schütz, Justiz und Verwaltung a. a. O. 408 ff.; F. Wodtke, . Der recours 
pour excös de pouvoir (Abhandlungen, herausg. von Zorn u. Stier-Somlo XI 3), 
2 Dekret vom 16./24. August 179% Tit. II Art. 13; vgl. E. v. Meier, 
Französ. Einflüsse 1 148 ff. , 
8 Reglement vom 5. nivöse des J. VIII. Reglement vom 11. Juni 1806
	        
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