782 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 182.
hergestellt. Dagegen hat das G. vom 24. Mai 1872 dem Staats-
rat die Stellung eines selbständig entscheidenden Verwaltungs-
gerichtshofes zurückgegeben. In dieser Eigenschaft besitzt der
Staatsrat jetzt eine dreifache Kompetenz: er entscheidet über die
Berufungen gegen Entscheidungen der Präfekturräte; er erledigt
eine Reihe von Verwaltungsstreitsachen in erster und letzter In-
stanz; er ist Kassationshof für alle Entscheidungen und Verfügungen
der Verwaltungsbehörden, welche er wegen Überschreitung der
Amtsgewalt (exc&s de pouvoir) aufheben kann. Die letztere Be-
fugnis ist dem Staatsrat durch das erwähnte Gesetz vom 24. Mai
1872 ausdrücklich beigelegt worden, nachdem sie bereits Jahr-
zehnte hindurch tatsächlich in unbestrittener Übung bestanden
hatte. Der richterlichen Selbständigkeit entbehrt der Staatsrat
de jure auch heute noch, da die Mitglieder desselben durch Dekret
des Staatsoberhauptes abberufen werden können. Das französische
contentieux umfaßt übrigens nicht bloß die eigentliche Verwaltungs-
jurisdiktion, sondern auch eine Reihe von fiskalischen Streitig-
eiten und Strafsachen, welche in Deutschland vor die ordent-
lichen Gerichte gehören. Die Verwaltungsentscheidungen der
Präfekturräte und des Staatsrates beschränken sich nicht auf
Rechtsfragen, sondern erstrecken sich auch auf Gegenstände wie
Steuereinschätzungen und Gewerbeanlagen, bei denen es lediglich
auf die Würdigung tatsächlicher Verhältnisse ankommt.
9. In Deutschland haben die Verwaltungsbehörden, so-
lange solche als getrennte Behörden bestehen, stets ein Ent-
scheidungsrecht in allen Verwaltungssachen, einschließlich der
dabei in Betracht kommenden Rechtsfragen besessen. Die Garantie
für eine unparteiische Rechtsprechung in Verwaltungssachen und
eine maßvolle Handhabung der Verwaltungsfunktionen lag in
älterer Zeit in der kollegialischen Organisation der höheren Ver-
waltungsbehörden und der rechtlich geschützten Stellung ihrer
Mitglieder. Dies änderte sich, als mit Einführung der konsti-
tutionellen Staatsform eine parteimäßigere Stellung der Minister
eintrat, die Organisation der Behörden eine mehr bureaumäßige
Gestalt annahm und die Abhängigkeit der unteren Verwaltungs-
organe von den Ministern größer wurde. Es entstand dadurch
die Gefahr einer parteilichen Handhabung der Verwaltungs-
befugnisse. Trotzdem blieb auch jetzt die Erledigung der Ver-
waltungssachen einschließlich der dabei auftretenden Rechtsfragen
dem Instanzenzuge der Verwaltungsbehörden überlassen *. "Nur
4 Die Frage der sogenannten Verwaltungsjustiz wurde schon in
den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts lebhaft erörtert, Für
dieselbe sprachen sich aus: K. v. Pfizer, Über die Grenzen zwischen
Verwaltungs- und Ziviljnstiz, Stuttgart 1828, Prüfung der neuesten Ein-
wendungen gegen die Verwaltungsjustiz (1835); Funke, die Verwaltung in
ihrem Verhältnis zur Justiz (1838). Dagegen: Mittermaier, Beiträge zu der
Lehre von den Pegenständen des bürgerlichen Prozesses, Archiv für zivi-
listische Praxis 4 105 ff. Was hat der deutsche Prozeß durch die neuere