Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 182, 791 
Gerichtsverfassungsgesetzes die fiskalischen Streitigkeiten den 
ordentlichen Gerichten überwiesen worden. An die Stelle der 
Präfekturräte sind kollegialische Behörden unter dem Namen Be- 
zirksräte getreten, welche aus dem Bezirkspräsidenten und den 
ihm beigegebenen Räten, (ohne Laienbeteiligung) bestehen. Als 
Rekursinstanz für die Bezirksräte, sowie in einzelnen Fällen als 
Verwaltungsgericht erster und letzter Instanz*® fungiert der 
Kaiserliche Rat in Elsaß-Lothringen, ein Kollegium, an 
dessen Spitze ein vom Kaiser ernannter Präsident steht und dessen 
Mitglieder in der Zahl von zehn ebenfalls durch den Kaiser er- 
nannt werden. (Sie werden stets den Räten des Ministeriums für 
Elsaß-Lothringen entnommen.) Die Entscheidungen desselben sind 
endgültig und bedürfen im Gegensatz zu dem früheren französi- 
schen Rechte keiner Bestätigung durch den Kaiser *%, 
8, [Auch außer und abgesehen von diesen elsaß-lothringischen 
Einrichtungen besteht eine eigene und unmittelbare Ver- 
waltungsgerichtsbarkeit des Doutschen Reichs®, 
Freilich ist diese Verwaltungsgerichtsbarkeit an oberster Stelle 
nicht, wie in den Einzelstaaten, einem einheitlichen Verwaltungs- 
gerichtshof, sondern mehreren selbständigen Spezialbehörden über- 
tragen, welche den Verwaltungsgerichten der Einzelstaaten gleichen, 
sofern sie, wiewohl ihrem Wesen und ihrer dienstlichen Stellung 
nach Verwaltungsbehörden, doch in ihrer streitentscheidenden 
Tätigkeit von der obersten Leitung der Reichsverwaltung, dem 
Reichskanzler, unabhängig sind, und auch sonst, vermöge ihrer 
kollegialen Formation und des ihnen vorgeschriebenen prozeß- 
4 EG zum RStGB vom 80. August 1871 Art. XII, AusfG. zum RGVG 
vom 4. November 1878 8 8. Vgl. oben $ 180, N. 11, $ 182 8. 782. 
48 Q, Mayer im WStVR 8 789. Das G. vom 13. Juni 1898 ermächtigt 
den Kaiser, die Zuständigkeit des kaiserl. Rats im Verordnungswege zu 
erweitern; die betreffenden kaiserlichen Verordnungen können nur durch 
‘Gesetz abgeändert werden. Daraufhin ist die V. vom 29, September 1902 
ergangen; vgl. O. Mayer a. a. OÖ. — Die Zuständigkeit des franzögischen 
Staatarats zur Entscheidung in erster und letzter Instanz über Rekurse 
wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt (oben 782) ist auf den kaiserl, Rat nicht 
übergegangen. 
“4 G., betr. die Einrichtung der Verwaltung vom 30. Dez. 1871 858 u. 
18, G., betr. die Verfassung und die yerwaltung Elsaß-Lothringens, vom 
4. Juli 1879 $ 11, G., betr. den kaiserl, Rat, vom 13. Juni 1898. — Das Ver- 
fahren vor den Bezirksräten und dem kaiserl. Rate ist durch V. vom 
23. März 1889 geregelt worden. . 
45 (Anschütz a. a. O. 398, 399; Fleischmann im WStVR 8 749ff.; Fleiner, 
Inst. fi. Bei diesen Schriftstellern finden sich auch nähere Angaben 
über die schwebenden Reformfragen auf dem Gebiete der Reichsverwaltungs- 
gerichtsbarkeit, insbesondere den — namentlich auf dem deutschen Juristen- 
tage von 1910 erörterten — Gedanken der Schaffung eines einheitlichen Reichs- 
verwaltungsgerichtshofes, dem geeignetenfalls auch die Rechtskontrolle über 
den Vollzug der Verwaltungsgesetze des Reichs durch die einzelstaatlichen 
Behörden zu übertragen wäre. Dieser Gedanke hat auch den Reichstag 
wiederholt beschäftigt, so z. B. bei der Beratung des Staatsangehörigkeits- 
gesetzes vom 22. Juli 1913: Sten. Ber. 1912/13 8. 5340.
	        
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