Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

796 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 183. 
riogens!. In diesen Ländern können also die in ihren Gesetzen 
bezeichneten Beamtenkategorien aus Anlaß amtlicher Handlungen 
gerichtlich nur verfolgt werden, wenn die gesetzlich geregelte Vor- 
entscheidung die Frage, ob der Betreffende sich einer Überschreitung 
seiner Amtsbefugnisse oder der Unterlassung einer ihm obliegenden 
Amtshandlung schuldig gemacht habe, bejaht hat. Die Vorent- 
scheidung steht in Preußen, Bayern, Baden, Hessen dem Ober- 
verwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof), in den beiden Mecklen- 
burg (da dort keine Verwaltungsgerichtebarkeit besteht) und in 
Elsaß-Lothringen (da man dem dortigen Kaiserlichen Rat — oben 
791 — die Eigenschaft als „oberster Verwaltungsgerichtshof* im 
Sinne des $ 11 Abs. 2 EGVG. nicht glaubt zuerkennen zu dürfen) 
dem Reichsgericht zu. Die Rechtswohltat der Vorentscheidung 
kommt nicht nur den Beamten, sondern auch dem Staate zu, 
wenn dieser auf Grund der oben $ 149 S. 612 ff. dargestellten 
gesetzlichen Bestimmungen an Stelle der Beamten wegen Gewährung 
von Schadensersatz in Anspruch genommen wirds, 
Die Wirkung der Vorentscheidung besteht, falls die ihr zu- 
nde liegende Frage verneint wird, darin, daß der wegen 
der Amtspflichtverletzung eingeleitete oder beabsichtigte Prozeß 
nicht stattfinden kann, die Klage (Anklage) mithin abzuweisen ist. 
In diesem Falle und insoweit ist die Vorentscheidung also für das 
Gericht bindend. Wird die Frage durch die Vorentscheidung 
bejaht, so nimmt das gerichtliche Verfahren seinen Gang, und 
das Gericht ist in der Beurteilung der Fragen, ob eine von den 
Beamten zu vertretende Pflichtverletzung vorliegt und welche 
Zivil- bzw. strafrechtlichen Folgen die Pflichtverletzung nach sich 
zieht, freih, 
Klassen von Beamten Anwendung, bei zivilrechtlichen Klagen dagegen nicht 
auf Richter und gewisse näher bezeichnete Gruppen der Verwaltungsbeamten, 
z. B. Grundbuchbeamte, Standesbeamte usw. Auch die durch das Bad. 
AusfG. vom 17. Juni 1899, Art. 5 Abs. 1 zugelassene „Verfolgung des 
Staates“ aus Anlaß der Pflichtverletzung eines Beamten ist, soweit Ver- 
waltungsbeamte in Frage kommen und ein dahingehendes Verlangen von 
dem zuständigen Ministerium gestellt wird, von der Vorentscheidung des 
Verwaltungsgerichtshofes abhängig: a. a. 0.8 5 Abs. 2, 9. 
d AusfG@. z. BGB vom 17. Juli 1899, Art. 77. Danach können Beamte 
wegen Amtsverletzung straf- oder zivilrechtlich nur verfolgt werden, wenn 
entweder die Vorentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs eingeholt worden 
ist oder das dem Beamten vorgesetzte Ministerium erklärt hat, daß die Vor- 
entscheidung nicht verlangt werde. Es gilt als Verzicht des Ministerium 
wenn das Ministerium nicht innerhalb eines Monats, nachdem ihm ein darau 
gerichteter Antrag des Beschädigten zugegangen ist, die Entscheidung be- 
antragt. 
e Vgl. WStVR 2 612. 
ft AusfG. z. BGB vom 17. April 1899, 8 89; vel. WStVR 2 612. 
8 Vgl. preuß. G. vom 1. August 1909 $ 2; bayer. AG z. BGB vom 
9. Juni 1899, Art. 165; bad. G. vom 24. Febr. 1880 $ 9 und AG z. BGB 
vom 17. Juli 1899 $ 5. 
h Vgl. preuß. G. vom 13. Febr. 1854, $ 3 Satz 2: „Ein Urteil der 
letzteren Art (nämlich eine das Dasein einer Amtspflichtverletzung be- 
jahende Vorentscheidung) präjudiziert weder dem Beamten in seiner
	        
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