Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 189. 797 
Die hier besprochene reichsgesetzliche Bestimmung, EGVG. 
& 11, richtet sich in erster Linie gegen die formellen Be- 
schränkungen des Rechtswegs gegen pflichtwidrig handelnde .Be- 
amte. Sie verbietet insbesondere den Fortbestand des französischen 
Systems der „autorisation pr&alable“ (oben 793) und der Bestimmung 
des preußischen Gesetzes vom 13. Februar 1854, wonach die ge- 
richtliche Verfolgung von Beamten nur zulässig ist, wenn der 
Kompetenzgerichtshof auf Betreiben („Erhebung des Konflikts“) 
der vorgesetzten Behörde erklärt hat, daß dem Beamten eine „zur 
gerichtlichen Verfolgung geeignete“ Handlung zur Last falle. Aber 
EGVG. $ 11 trifft weitergehend auch die materiellen Be 
schränkungen. Er hebt in seinem Abs. 1 die „besonderen 
Voraussetzungen“ auf, welche den Rechtsweg gegen Beamte 
einschränken, mit alleiniger Ausnahme der in Abs. 2 bezeichneten 
Bestimmungen über die Vorentscheidung des obersten Verwaltungs- 
gerichtshofes bzw. Reichsgerichts. Unter den Begriff dieser „be- 
sonderen Voraussetzungen“ fallen alle landesgesetzlichen Vor- 
schriften, welche die zivil- oder strafrechtliche Verfolgung eines 
Beamten aus Anlaß seiner amtlichen Tätigkeit irgendwie erschweren 
oder an besondere, für andere Zivil- und Strafprozesse nicht be- 
stehende Bedingungen knüpfen. Eine landesgesetzliche Vorschrift 
dieser Art ist insbesondere auch in dem oben Anm. 4 angeführten 
3.0 des preußischen Gesetzes vom 11. Mai 1842 zu erblicken und 
ieser $ 6 daher, wenngleich der preußische Gesetzgeber zu ver- 
schiedenen Malen! seine Fortgeltung behauptet hat, für aufgehoben 
zu erachten*, 
— 
weiteren Verteidigung vor dem Gerichte, noch dem Gerichte in seiner recht- 
lichen Entscheidung der Sache“. Ebenso das bad. G., betr. d. Verwaltungs- 
erichtshof vom 24. Febr. 1880, Art. 11 Abs. 9. Dagegen ist nach bayer. 
echt (Verwaltungsgerichtsgesetz voın 8. August 1878, Art. 7 Abs. 3) die 
Vorentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ın allen Fällen für das Gericht 
bindend. O. Mayer, VR (2. Aufl.) 1 206 Anm. 32 und Fleiner, Institut. 270 
N. 22 halten diese Bestimmung wegen Widerspruchs mit $ 11 EGVG für 
ungültig, die herrschende Meinung in Bayern erachtet sie für gültig (Lit. 
beı Fleiner a. a. O.. Wenn man sie so, wie v. Seydel-Piloty, Bayer. StR 
1 437 tut, anlegt; ist gegen die Gültigkeit nichts einzuwenden. . 
i Vgl. LVG 8 13] (oben Anm. 4); G. vom 1. August 1%9 (oben $ 149 
S. 612 Anm. b, 8 5). 
k Gleiche Ansicht: O. Mayer, VR 1. Aufl. 1 2937, ‚2. Aufl. 1 209 
204 N. 27; Fleiner, Instit. 270 N. 22; Thoma im JahrbÜfR 4 208 N. 1; 
v. Roenne, StR (4. Aufl.) 1 509 Anm. 2 (hält den $ 6 schon durch die preuß. 
Verfassung, Art. 97, für aufgehoben); Jastrow bei Gruchot 80 332ff. Für 
die Fortgeltung des $ 6, die in Preußen herrschende Meinung (vgl. z. B. 
Stoelzel, Rechtsweg und Komp.-Konflikt 226; Loening, Gerichte und Ver- 
waltungsbehörden 315; Oppenhoff, Ressortverhältnisse, 2. Aufl., 343), die 
Gerichtspraxis (RGZ 18 123, 20 295, 51 329; Gruchot, 89 1023, 46 1108; 
OVGEntsch. 57 480) und auch dıe Voraufl. dieses Buches $. 681 N. 7. Zum 
Beweise der Fortgeltung beruft man sich gern auf $ 13 GVG, wonach die 
Landesgesetzgebung den Wirkungskreis der ordentlichen Gerichte abzugrenzen 
habe (oben 8 180 Anm. 10), Könne sonach durch Landesgesetz die Schadens- 
ersatzklage dem Rechtswege im ganzen entzogen werden, so könne dies 
auch teil- und bedingungsweise geschehen, indem durch das Landesgesetz
	        
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