Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 184, 17199 
tarısche) Verantwortlichkeit. Unter letzterer versteht man 
die Pflicht des Ministers, die politische Zweckmäßigkeit seiner 
Maßregeln dem Parlamente gegenüber zu vertreten?. Die poli- 
tische Verantwortlichkeit erstreckt sich auf die gesamte Tätigkeit 
des Ministers, namentlich auch auf die von ihm eingebrachten 
Gesetzesvorlagen, ist eine notwendige Konsequenz konstitutioneller 
Staatseinrichtungen und von hoher politischer Bedeutung. Aber 
sie bildet keinen Gegenstand staatsrechtlicher Betrachtung, sondern 
erscheint als eine Sache politischer und parlamentarischer Praxis ?®. 
Für das Staatsrecht hat nur die rechtliche Verantwortlichkeit 
Bedeutung. Rechtlich ist der Minister dafür verantwortlich, daß 
seine eigenen Handlungen und die von ihm kontrasignierten Akte 
des Monarchen sich innerhalb der gesetzlichen Schranken bewegen. 
Die Mitwirkung des Ministers bei der Gesetzgebung fällt daher 
nicht unter den Gesichtspunkt der rechtlichen Verantwortlichkeit. 
Diese beschränkt sich auf Verwaltungsakte aller Art, insbesondere 
auch auf Verordnungen *. 
In den deutschen Ländern kamen schon in älterer Zeit Be- 
strafungen hoher Landesbeamten infolge von Anregungen der Land- 
stände vor. Diese Vorgänge sind jedoch auf die moderne Minister- 
anklage ohne Einfluß geblieben. Dieselbe hat sich erst mit der 
Einführung der konstitutionellen Verfassungen in Anlehnung an 
ausländische Vorbilder entwickelt. 
% (Politische Verantwortlichkeit im Sinne des Textes besagt das Gegen- 
teil von rechtlicher Verantwortlichkeit; die litische“ Verantwortlich- 
keit soll eine nicht-rechtliche, eine nur tatsächliche sein. Hiergegen läßt 
sich einwenden, daß die als Inhalt dieses Verantwortlichkeitsverhältnisses 
bezeichnete „Pflicht, die Zweckmäßigkeit der Maßregeln dem Parlamente 
gegenüber zu vertreten aufRechtssätzen beruht, also eine nicht moralische 
oder tatsächliche, sondern eine Rechtspflicht darstellt, deren Erfüllung 
auch durch Rechtsmittel — wenn auch nicht überall durch das besondere 
Institut der Ministeranklage — gesichert ist. In diesem Sinne: Rehm, 
Staastl. 322, 328, 329, 337, 338 (der indessen 8. 341, 343 zugibt, daß jene 
Pflicht, je nach Lage des positiven Rechts auch als eine reine „tatsächliche“ 
erscheinen könne); v. Frisch a. a. O. 156, 157, 316; Anschütz, Enzykl, 112, 
118, 127. — Unzutreffend ist die Behauptung G. Meyers (s. oben im Text), 
daß die Pflicht des Ministers, dem Parlamente Rede und Antwort zu stehen 
nur auf die Frage der Zweckmäßigkeit der Regierungshandlungen und 
nicht auch auf die der Rechtsgültigkeit (V erfassungemäßigkeit) sich erstrecke. 
Vgl. hiergegen Rehm a. a. 0. ff., 337, 338, 349.] 
® Pistorius a. a. O. 2ff. sieht die parlamentarische Verantwortlichkeit 
nur als eine engere Art der politischen an und meint, letztere bestehe darin, 
daß der Minister hinsichtlich seines politischen Verhaltens der öffentlichen 
Beurteilung und Kritik unterworfen sei. Einer derartigen Verantwortlich- 
keit unterliegen aber nicht bloß Minister, sondern alle Beamte, überhaupt 
jeder, der sich am öffentlichen und politischen Leben beteiligt. Spezifisch 
für die Minister ist lediglich die Vertretung der Regierungsmaßregeln vor 
dem Parlamente. 
* Zu eng faßt L. v. Stein, Verwaltungslehre T. I, Abt. 1 S. 349, die 
rechtliche Verantwortlichkeit, wenn er sie als die Gesamtheit von Grund- 
sätzen und Maßregeln bezeichnet, welche die Übereinstimmung der ministe- 
riellen „erordnungen mit den bestehenden Gesetzen herzustellen be- 
stimmt i
	        
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