Die Funktionen. $ 184, 801
einer politischen Maßregel? angenommen. Dem entspricht die
sachliche Behandlung der Anklagen. Obwohl dieselben in der
Verfassung als Hochverrat, Bestechung und andere schwere Ver-
brechen und Vergehen (treason, bribery or other high crimes and
misdemeanors) !° beschränkt werden, sind sie in der Praxis auch
auf Handlungen ausgedehnt worden, welche nicht den Charakter
von Rechtsverletzungen besitzen. So gestaltet sich das Verfahren
tatsächlich zu einem Urteil des Kongresses über die gesamte poli-
tische Richtung eines hohen Beamten der Union,
3. Die Verfassungen der deutschen Einzelstaaten haben
fast ausnahmslos das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit aus-
gesprochen und den Landtagen die Befugnis zur Ministeranklage
beigelegt. Doch fehlt es in einzelnen Stasten an Ausführungs-
bestimmungen, so daß die prinzipiellen Festsetzungen der Ver-
fassung praktisch ohne Bedeutung bleiben 12.
Die Ministerverantwortlichkeit hat in Deutschland eine wenig
klare Ausbildung gefunden. Als Gegenstand der Ministeranklage
werden lediglich Rechtsverletzungen betrachtet, namentlich Ver-
fassungsverletzungen und außerdem oft einzelne speziell benannte
Verbrechen ’®, in einigen Verfassungen überhaupt Verletzungen
der Staatsgesetze!*. In bezug auf den Inhalt der verfolgbaren
Handlungen hat daher die deutsche Ministeranklage einen vor-
wiegend strafrechtlichen Charakter!® und erinnert an
® [Nach Rehm, Staatsl. 385 und N. 3 ist das impeachment in Nord-
amerika „von Haus aus eine reine Strafklage“; die Ministeranklage habe
aber hier wie anderwärts ihre rechtliche Natur geändert: „sie ist teils
kriminelle, teils politische Verantwortlichkeit“.]
10 Verf. der Verein. Staaten Art. 2 Sect. 4.
ıı Story a. a. 0. 88 796 ff,
12 Namentlich in Preußen, wo das durch Art. 61 der Verf. in Aussicht
gestellte Gesetz nicht zustande gekommen ist.
18 Preuß. Verf. Art. 61, Sächs, Verf. $ 141, Württ. Verf. 8 195, S.-Weim.
Rev. GG $ 49, S.-Mein. GG 8 88, S.-Alt. GG 8 38, S.-Kob.-Goth. StGG 8 168,
Braunschw. NLO $ 108, Old. StGG Art. 200, G. vom 24, März 1855, betr.
die Anklage der Mitglieder des Staatsministeriums durch den Landtag, Art. 1,
Schw-Sondh. LGG 8 57, Schw.-Rud. GG $ 6, Reußj. L, StGG $ 107, Wald.
Verf. $ 66, G., betr. die Verantwortlichkeit der Mitglieder der Staats-
regierung wegen Verfassungsverletzung, vom 4. Juni 1850, Art. 1u.2. Unter
Verfassungsverletzung sind in diesen Bestimmungen Verletzungen der Landes-
verfassung verstanden. Die betreffenden Vorschriften finden daher bei Ver-
letzung der Reichsverfassung keine Anwendung. Hier tritt nur das Auf-
eichtarecht des Reiches [RV Art. 17,7 Zift. 3,19] ein. Vgl. Pistorius a.a.v.
. 190 ff.
% Bayer. G., die Verantwortlichkeit der Minister betr., vom 4. Juni 1848
Art. 9, Hess. G. über die Verantwortlichkeit der Minister vom 5. Juli 1821
Art. 1, Schaumb.-Lippe Verf. Art. 43, G., die Verantwortlichkeit der Re-
gierungsmitglieder betr, vom 2. Jan. 1849 Art. 1.
!5 Diese Auffassung tritt auch in der Theorie hervor. v. Gerber $ 58
8.193 £.; H. A. Zachariä 1 $ 59 8. 311 ff.; Zöpfl, 2 8 408 S. 410 ff.; Grotetend
701; Held 2 8 383 S. 367.; R. v. Mohl, Württembergisches Staatsrecht
8 129 f., Ministerverantwortlichkeit 23 ff.; K. Rößler a. a. O. 63; Bischof
a. a. O. 15; Hauke a.a. 0. 18 ff.; Ulbrich, Österreichisches Staatsrecht & 310
8. 729; Pistorius a. a. O. 179. [Weitere Vertreter führt an v. Frisch a. a. O.