Die Funktionen. 8 186. 807
die seinige vor dem Reichstag und Bundesrat, soweit er kann, zu
vertreten, Rechtspflicht, auf Interpellationen und kurze Anfragen b
im Reichstage zu antworten; ein Rechtsmittel, nicht nur ein po-
litisches Machtmittel liegt in der Befugnis des Reichstags, seine von
der des Kanzlers abweichende Ansicht in Form einer Resolution® oder
Adresse oder durch Handhabung des Ausgabenverweigerungsrechts
oder durch Versagung der Entlastung (RV. Art. 72) kund zu tund,
Auf die Beschlüsse des Bundesrates erstreckt sich, wie in
anderem Zusammenhange bereits erwähnt (oben $S. 528), die Ver-
antwortlichkeit des Kanzlers und seiner Stellvertreter nicht. Es
kann aber für diese Beschlüsse auch sonst niemand rechtlich ver-
antwortlich gemacht werden: die Mitglieder des Bundesrates schon
‚deshalb nicht, weil sie nicht nach ihrer Überzeugung, sondern
nach der Instruktion ihrer Regierungen abstimmen. Für die Be-
folgung der Instruktion ist das Bundesratsmitglied lediglich seinem
Auftraggeber, also seiner Regierung, für den Inhalt der Instruktion
ist die Regierung ihrem Landtage — nach Maßgabe des Landes-
staatsrechts — verantwortlich]
b Oben $ 128 S, 502, 503 und Anm. 6.
ec Oben 8 128 S. 508 Anm, 8,
d Durch RGes. vom 28. Okt. 1918 ist nunmehr dem Beichs das
Recht verliehen, den Reichskanzler zum Rücktritt zu zwingen. Vgl. dar-
über den Nachtrag,
® [Die Instruierung der oder des Bundesratsbevollmächtigten eines
deutschen Einzelstaates ist ein Regierungsakt dieses Staates und unterliegt
der ministeriellen Verantwortlichkeit grundsätzlich in eben dem Maße wie
jeder andere Regierungsakt. Insbesondere ist es ein Recht des Landtages,
die ihm verantwortlichen Minister für die von ihnen oder unter ihrer Gegen-
zeichnung erteilten Bundesratsinstruktionen zur Rechenschaft zu ziehen und
demgemäß diese Instruktionen — wie überhaupt das ganze Auftreten der
Regierung im Bundesrate — zum Gegenstande von Verhandlungen, Inter-
ellationen, eventuell von tadelnden Resolutionen zu machen. Vgl. oben
\ 123 Anm. 9, 10. Letzteres gibt auch G. Meyer zu (Voraufl. $ 186 N. 4),
och will er darin eine nur „politische“ Verantwortlichkeit („politisch“ des-
halb, weil sie sich — a. M. und ganz verkehrt Dambitsch, Reichsverfassung
245, 246 — nicht nur auf Rechts- sondern auch auf Zweckmäßigkeitsfragen
erstreckt) keine rechtliche sein soll: die Pflichten der Staatsregierung, welche
der die Bundesratsinstruktion kritisierende Landtag geltend macht, sind un-
zweifelhaft Rechtspflichten, die Mittel, mit denen die Kritik ausgeübt wird
(Interpellation, Tadelsvotum), sind Rechtsmittel (vgl. oben im Text und
Anschütz, Enzykl. 112, 113). Die angegebene Befugnis der Landtage ist
von der Reichsregierung wie von den Landesregierungen stets anerkannt
und auch sonst in der Staatspraxis niemals bestritten worden. Bismarck
hat sie wiederholt bejaht, so schon im verfassungsberatenden Reichstage
von 1867 (Sten. Ber. 397 ff.; vgl. auch die Außerungen der Abgeordneten
v. Bennigsen und v. Sybel daselbst) und noch nach seinem Rücktritt, z. B.
1893; ve Kuhlenbeck, Otto v. Bismarck, Reden z. deutschen RV, 20, 21,
v. Roäll-Epstein, Bismarcks Staatsrecht 257 ff., 263 ff. Ebenso die herrschende
Meinung ın der Wissenschaft; vgl. Laband 1 99 ff., Anschütz, Enzykl, 97
N. 1, v. Seydel-Piloty, Bayer. StR 1 73, 74, v. Garwoy, Württ, StR 2 82 ff;
Triepel, Interregnum 102; Schulze, Preuß. StR 8 265, Pistorius a, a. O. 197 £f.;
Kalisch, Die Landtage u. d. Instruierung der Bundesratsbevollmächtigten (Brie-
Fleischmanns Abhandlungen, Heft 32) | 1913 u.a.] A. M. insbes, Haenel, Ver-
tragsmäß, Elemente 221 ff, dessen Ausführungen aber nicht überzeugend sind).