808 Zweiter Teil. Drittes Buch, 8 187.
Da der Bundesrat keine Exekutivgewalt besitzt (oben S. 479),
so bedürfen alle seine Beschlüsse zu ihrer tatsächlichen Ausführung
noch einer weiteren Tätigkeit des Kaisers und Reichskanzlers,
Für die in Ausübung dieser Funktionen erlassenen Verfügungen
trägt letzterer die Verantwortlichkeit, Er ist nicht in der Lage,
sich zur Befreiung von derselben darauf zu berufen, daß er kraft
eines Bundesratsbeschlusses handelte, da ihn die Verpflichtung zur
Folgeleistung gegenüber Bundesratsbeschlüssen nicht von der Be-
obachtung der Reichsverfassung und Reichsgesetze befreit*.
In elsaß-lothringischen Landesangelegenheiten
tragen der Statthalter und der Staatssekretär eine der des
Reichskanzler analoge Verantwortlichkeit; ersterer für diejenigen
Anordnungen und Verfügungen, welche als Ausfluß der ihm kraft
seiner ministeriellen Stellung (oben $ 139 S. 549) zustehenden
Befugnisse erscheinen, und für die von ihm kontrasignierten kaiser-
lichen Erlasse, dagegen nicht für diejenigen Akte, welche er in
Ausübung ihm übertragener kaiserlicher Befugnisse (oben 55
vornimmt, letzterer sowohl für seine eigenen Amtshandlungen als
für die von ihm kontrasignierten Akte des Statthalters. Diese
Verantwortlichkeit besteht nicht gegenüber dem Reichstage, sondern
gegenüber dem Landtagee.
VL Die Verwaltungsexekution»,
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Die Verwaltungsbehörden haben nicht nur das Recht der Ent-
scheidung und Verfügung, sondern auch die Befugnis, ihre Maß-
regeln mit Anwendung von Zwangsmitteln durchzusetzen (Ver-
waltungsexekution).
Die Exekutionsbefugnis Außert sich zunächst in dem Recht
der Finanzbehörden, öffentliche Abgaben auf dem Ver-
waltungswege beizutreiben. Diese Befugnis ist denselben in
allen deutschen Staaten beigelegt worden. Nur zur Zwangs-
versteigerung von Grundstücken wird in der Regel eine Mit-
wirkung der Gerichte erfordert.
4 Übereinstimmend: v. Roenne, Staatsrecht des Deutschen Reiches 1
299 fe — Anderer Ansicht: Thudichum, Verfassungsrecht 117 N. 83, Annalen
a. a. O. 671; Seydel zu Art, 17 Nr. III, welche jede Verantwortlichkeit des
Reichskanzlers für Handlungen, die er in Gemäßheit eines Bundesrats-
beschlusses vornimmt, in Abrede stellen; ebenso Zorn, AnnDR 1885 327 fi.;
Rosenberg, Staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers S. 883.
e Denn der Reichs hat nach Wortlaut und Sinn des Verfassungs-
ges. vom 31. Mai 1911 jede Zuständigkeit in Kieat-Iothringischen Landes-
angelegenheiten verloren (oben 8. ‚545)., UÜbereinstimmend: Laband 2
247; Fischbach, Oft. Recht des Reichsl. Els.-Lothr. 47; a. M. (Verantwort-
lichkeit ‚gegenüber dem Reichstag) die Voraufl. 8. 698, Zorn, StR 1 643,
Vogels, DJZ 1911 8. 982.
s Literatur: Gneist im Rechtslexikon 8 1106 ff.: G. Meyer im WStVR
8 797 ff.; G. Meyer-Dochow, VR 8 12; Otto Mayer, VR (2. Aufl.) 1 S: 4—26;
Fleiner, Instit, 8 13; weitere Literaturangaben bei Meyer- ochow und Fleiner.