814 Zweiter Teil. Drittes Buch. $ 189.
Befugnis, den Staat völkerrechtlich zu verpflichten. Die parla-
mentarische Genehmigung wird nur zur Einführung und Durch-
führung des Vertrages im Innern des Staates erfordert®. Die
völkerrechtliche Gültigkeit desselben ist von dieser Genehmigung
unabhängig?. Aber in den hier erwähnten Ländern genügt es
Abschluß des Vertrages. Ebenso wird $ 85 der Verfassung Württembergs
von der dort herrschenden Meinung aufpefaßt: vgl. v. Sarwey, Württ. S
2 92ff., Göz, Württ. StR 225; ebenso Rieß, Mitwirkung d. gesetzgebenden
Körperschaften 37 ff.
8 Die Frage ist namentlich mit Rücksicht auf Art, 48 der preußi-
schen Verfassung erörtert worden. ereinstimmend: Gneist a. a, O,;
v. Roenne, Preußisches StR 7 $ 127 S. 693 fl.; Laband, Staatsrecht 2 135 ff,
142 ff; Kloeppel in den Preußischen Jahrbüchern 52 294 ff.: Arndt, Komm.
z. Preuß. Verf, zu Art. 48 N. 8; Reichsstaatsrecht 708 ff., Schwartz, Komm.
z. Preuß. Verf. 139; Anschütz, Enzykl. 174; v. Liszt, Völkerrecht (11. Aufl.)
163. Gegen diese Ansicht kann nicht eingewendet werden, daß die Gültig-
keit eines Vertrages sich nicht spalten lasse, derselbe nicht nach außen
ültig, nach innen ungültig sein könne. Denn im Innern des Staates gilt
der Vertrag nicht als Vertrag, sondern als Gesetz. Vgl. Laband 2 134
Anm. 1.
% Die Ansicht, daß die Bestimmung des Art, 48 der preußischen Ver-
fassung völkerrechtliche Bedeutung hat, also die Legitimation des Königs
zum Abschluß von Verträgen mit Wirkung nach außen beschränkt, wird
namentlich von E. Meier a. a. O. 218ff. vertreten, dem sich H. Schulze,
Preußisches Staatsrecht $ 271; Proebst a, a. O. 323 ff.; Tinsch a. a. O. 9ff.;
Prestele a. a. O. 80ff.; Leoni a. a. O. 504 ff., Bornhak, Preußisches Staats-
recht 8 22££.; v. Melle in v. Holtzendorffs Handbuch des Völkerrechtes 8
198; Fleischmann WStVR 8 512 und Rieß a. a. O. 21ff. angeschlossen haben.
Mit Recht macht ersterer geltend, daß die Frage nicht nach völkerrechtlichen
Grundsätzen oder nach Prinzipien des allgemeinen konstitutionellen Staats-
rechts, sondern nur auf Grund einer Interpretation des Art. 48 entschieden
werden könne. Aber die von ihm selbst gebrachte Interpretation erscheint
nicht überzeugend. Für Württemberg wird die Meinung, daß die Zu-
stimmung der Ständeversammlung ein wesentliches Erfordernis der. völker-
rechtlichen Gültigkeit der Verträge sei, von der dort herrschenden Meinun
vertreten; vgl. oben Anm.7. Proebst a. a. O. 320 ff., Prestele a. e. O. 80ff.
und Radnitzky, JahrbOffR 1911 64 legen den Bestimmungen aller deutschen
Verfassungen völkerrechtliche Bedeutung bei. [Etwas weniger weit in dieser
Richtung geht Rieß, der als „Staaten des völkerrechtlichen Systems“ (d, h.
des Systems, wonach die Zustimmung des Landtages nicht nur für Um-
setzung des Vertrages in staatliches Recht erforderlich ist) bezeichnet:
Preußen, Württemberg, Oldenburg, 8.-Koburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-
Sondershausen, Reuß j. L., Waldeck, Schaumburg-Lippe, die Hansestädte.]
Eine völkerrechtliche Bedeutung der betreffenden Bestimmungen nehmen
auch diejenigen Schriftsteller an, welche einem ohne Zustimmung der Ver-
tretung abgeschlossenen Vertrage nur bedingte Gültigkeit zuschreiben und
erst die nachfolgende parlamentarische Beschlußfassung über die völker-
rechtliche Verbindlichkeit definitiv entscheiden lassen. Ko Jellinek, Gesetz
und Verordnung 345 ff.; Brie im Arch. 4 40 ff.; Seligmann a.a. 0. 40, 146 fk.,
801; Wegmann a. a. O0. 68ff. Zu dieser Grup e gehört auch Unger, der in
der in $ 188 N. 1 angeführten Abhandlung folgende Theorie aufstellt: Der
Vertrag sei vor Genehmigung durch die Volksvertretung relativ ungültig,
durch die Genehmigung werde er definitiv gültig, durch die Ablehnung
definitiv ungültig. Diese Ansicht wird aber weder durch die unzutreffende
privatrechtliche Analogie der Rechtsgeschäfte handlungsunfähiger Personen,
auf welche der Verfasser sich beruft, noch durch die Bestimmungen der
deutschen Yerfassungen gerechtfertigt. [Gegen diese „bedingten völker-