Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

72 Erster Teil. Erstes Buch. 8 21. 
der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts war noch vielfach 
die Ansicht von dem rein monarchischen Charakter des deutschen 
Reiches vertreten®; später erklärte man die Verfassung für eine 
aus monarchischen und aristokratischen Bestandteilen gemischte#, 
wobei man freilich wieder verschiedener Ansicht darüber war, ob 
die aristokratischen ® oder die monarchischen ® Elemente die über- 
wiegenden seien. Pufendorf? hatte das deutsche Reich als ein 
unregelmäßiges Staatswesen (irregulare aliquod corpus et monstro 
simile) bezeichnet, das mehr einem Systeme verbündeter Staaten 
als einem einzelnen Staate gleiche. In der letzten Zeit des 
Reiches fand unter dem Einfluß Pütters® und seiner Schule? vor- 
zugsweise die Ansicht Verbreitung, daß das deutsche Reich ein 
Staat, aber kein einfacher Staat, sondern ein zusammengesetzter 
Staatskörper sei, der selbst wieder aus einer Reihe von Staaten 
bestehe. Die Verfassungsform desselben wurde für eine be- 
schränkt monarchische erklärt !° 
Vom rein juristischen Standpunkte aus betrachtet war das 
Reich auch noch in den letzten Zeiten seines Bestehens ein Staat!!!. 
Und zwar ein in der Auflösung begriffener Lehnsstaat, ein eigen- 
® Theodor Reinkingk, Tractatus de regimine saeculari et ecclesiastico 
lib. I, classis 2, cap. 2. Über ihn Stintzing a. a.0. 2 189 fi. 
* Der Ansicht von der gemischten Staatsform schließt sich auch 
J. J. Moser a. a. O. 555 trotz seiner Polemik gegen den ganzen Streit an. — 
1a, uch: Gierke, Altbusius 180 ff.; v. Treitschke, Histor.-pol. Aufsätze 
6 Arumaeus (vgl. Stintzing a.a, O. 1 719 ff., 2 40, 41), Limnaeus, Iuris 
publiei imperii Germanici lib. Ic. 10 (Stintzing 3 211 ff.), Hippolithus a La- 
ide, Dissertatio de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico. 
ars I cap. 17. Über Hipp. a Lapide: Stintzing 2 46 ff.; v. Treitschke a. a. 
O. 223; Gierke, Althus. 181 ff.; R. Schmidt, Allg. Staatsl. 2 686. 
° Pfeffinger, Corpus iuris publiei Lib. I Tit 19 $8 2 und 3. 
? Severinus de Mozambano, De statu imperii Germanici ad Laelium 
fratrem liber unus. Cap. VI $ 9; Pufendorf, De re publica irregulari $ 10. 
Vgl. v. Treitschke a. a. O. 202 ff., 223 ff.; Gierke a. a. O. 182 ff.; R. Schmidt 
a. a. O. 2 686; Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswiss. 1. Halbb. 
19 ff.; J. Jastrow, Pufendorfs Lehre von der Monstrosität der Reichsverfassung 
in Z. Preuß. Geschichte u. Landeskunde 19 333. Eine neue, kritische und 
mit einer Einleitung versehene Ausgabe des Severinus a Mozambano ist 
veranstaltet von Fritz Salomon (3 Heft 4 der Zeumerschen Quellen und 
Studien), 1910. 
8 Pütter, Beiträge zum deutschen Staats- und Fürstenrecht 1 17ff.; 
Pütter, Institutiones iuris publici $$ 31 und 32. Landsberg a. a. O. 340, 
® Häberlin, Handbuch des teutschen Staatsrechtes 88 31 und 32; Leist, 
08 des teutschen Staatsrechtes $ 16; Gönner, Teutsches Staatsrecht 
55 88-92. 
ı0 Pütter, Beiträge 57, Inst. $ 26; Häberlin S$ 24—26; Leist 16; 
Gönner B 96—98. Dieser Ansicht sind auch die meisten späteren Schrift- 
steller: A. H. Zachariä, St.R. 1 108 ($ 29); Zöpfl, St.R. 1 154 ff. ($ 77); Held, 
Verfassungsrecht 1 438 ($ 165); Aegidi, Der Fürstenrat nach dem Luneviller 
Frieden 28; Brie, Theorie der Staatenverbindungen 126; Triepel, Inter- 
regnum 19. 
ıı Übereinstimmend: Held a. a. O. 1 435 (88 143 und 144); H. Schulze, 
Einleitung 209 ($ 65); Ph. Zorn, Staatsr. des deutschen Reiches 1 1.
	        
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