Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Zeit des alten deutschen Reiches. $ 21. 13 
tümliches Gebilde, für das auch die nicht besonders glückliche 
Bezeichnung Staatenstaat gebraucht wird!?. Also kein 
Bund, namentlich auch kein Bundesstaat !®. Die Kompetenz des 
Reiches, wenn auch tatsächlich durch viele Exemtionen durch- 
brochen, blieb grundsätzlich eine unbeschränkte. Die Regierungs- 
gewalt der Landesherren war keine selbständige, sondern beruhte 
auf einer Belehnung seitens des Reiches. 
Mit den rechtlichen Formen, an welchen bis zum Ende des 
Reiches streng festgehalten wurde, standen freilich die tatsäch- 
lichen Verhältnisse in schroffem Widerspruch. Die Stellung der 
größeren Territorien war eine fast völlig souveräne geworden. 
Vom praktisch politischen Gesichtspunkte aus ist das Reich nur 
noch eine lose F'öderation der deutschen Territorien. Die Reichs- 
verfassung selbst hatte seit dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts 
vielfache föderative Elemente in sich aufgenommen. Und es trat 
im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert wiederholt das Be- 
streben hervor, das Reich zu einem bloßen Bundesverhältnis um- 
zugestalten 1. 
Seiner Verfassungsform nach war das Reich bis zum West- 
fälischen Frieden unzweifelhaft eine Monarchie. Dadurch aber, 
daß letzterer dem Reichstage ein allgemeines Mitregierungsrecht 
einräumte!®, wurde die Verfassungsform desselben eine ge- 
mischte, monarchisch-aristokratische !®. 
12 H. Schulze, Einleituug 209; Lehrbuch 51 ($ 27); Jellinek, Lehre von 
den Staatenverbindungen 137 ff. Wenn die beiden genannten Schriftsteller 
es als ein wesentliches Moment für den Begriff des Staatenstaates betrachten, 
daß die Untertanen der Staatsgewalt nicht unmittelbar, sondern durch das 
Mittel einer untergeordneten Gewalt unterworfen sind, so ist zu bemerken, 
daß eine unmittelbare Unterordnung der Untertanen unter die Reichsgewalt 
im deutschen Reiche zweifellos auch in seinen letzten Zeiten vorhanden war. 
Vgl. auch Brie in GrünhutsZ. 11 145ffl. Die in N. 13 erwähnten Schrift- 
steller wenden den Ausdruck „Staatenstaat“ ebenfalls auf das Reich an, aber 
als gleichbedeutend mit Bundesstaat. Vgl. Gierke, Althus. 247 ff. 
ı8 Dies behaupten H. A. Zachariä, St.R. 1 100, 107 ($$ 26. 29); Zöpfl, 
St.R.1 154 ff. ($ 77); Mejer, Einleitung 97 ($ 18); Brie, Staatenverbindungen 99; 
Westerkamp, Staatenbund und Bundesstaat 1; W. Kahl, Lehrsystem des 
Kirchenrechts und der Kirchenpolitik 175 (Freiburg i. B. und Leipzig 1894). 
ereinstimmend mit dem Text: Haenel, Deutsches Staatsrecht 1 3. 
14 Perthes, Das deutsche Staatsleben vor der Revolution 27 ff.; M. Jaehns, 
Zur Geschichte der Kriegsverfassung des deutschen Reiches. Preuß. Jahrb. 
»9 483 ff. Auch die $ 21, N.5 u. 7 sowie $ 34 erwähnten Schriften des 
Hippolithus a Lapide und Severinus de Monzambano sind von diesem Ge- 
danken erfüllt. Vgl. die Zitate oben $ 21 N. 5 und 7. 
16 Instr. pac. Osnabr. Art 8 $ 2: Gaudeant (status Imperii) sine contra- 
dietione iure suffragii in omnibus deliberationibus super negotiis Imperii, 
praesertim ubi leges ferendae vel interpretandae, bellum decernendum, 
tributa indicenda... nec non ubi pax aut foedera facienda aliave eiusmodi 
negotia peragenda fuerint, nihil horum aut quicquam simile posthac unquam 
fat vel admittatur, nisi de comitiali liberogue omnium Imperii statuum 
suffragio et consensu. 
16 Übereinstimmend: Kahl a. a. O. 175.
	        
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