Die Funktionen. $ 195a. 837
staatsgewalten gegeben sind. Je nachdem der Schwerpunkt der
Militärhoheit mehr bei der Zentral- oder andererseits bei der
Gliedstaatsgewalt liegt, wird die Heeresverfassung einen unitarischen
oder föderalistischen, wenn nicht gar partikularistischen Charakter
zeigen. Möglich ist die reine und folgerichtige Ausprägung sowohl
des einen wie des anderen Grundprinzips, ebenso lassen sich aber
auch Mischformen denken, welche, zwischen den beiden Prinzipien
vermittelnd, die Verwirklichung des einen durch Verwendung von
Elementen des anderen ermäßigen. |
Bei reiner Durchführung des unitarischen Prinzips steht nicht
nur das Recht über Krieg und Frieden, sondern das Kriegswesen
überhaupt und schlechthin der Bundesgewalt ausschließlich zu; sie
allein hat das Recht, die bewaffnete Macht nicht sowohl zu ver-
wenden, als sie herzustellen, zu unterhalten, zu leiten. Das Staats-
tätigkeitsgebiet des Kriegswesens scheidet als Ganzes und in allen
seinen einzelnen Äusschnitten und Funktionen aus dem Wirkungs-
kreise der Gliedstaaten vollständig aus; die bewaffnete Macht
bildet, als Landheer wie als Kriegsmarine, eine einheitliche An-
stalt, welche der Zentralgewalt gehört und ihrer eigenen und un-
mittelbaren Verwaltung unterstellt ist. In voller Reinheit ist
dieser unitarische Typus zurzeit wohl nirgends verwirklicht; am
nächsten kommt ihm die Wehrverfassung der Vereinigten Staaten
von Nordamerika!. Demgegenüber erscheint in dem föderalisti-
schen Gegenbilde des unitarischen Typus das Kriegswesen vor-
herrschend als Angelegenheit der Einzelstaaten. Die Einzelstaaten
allein haben, unter Ausschluß des Bundes, das Recht, Streitkräfte
zu halten, und zwar welche und soviele sie wollen; sie haben
auch das Recht, diese Streitkräfte zu verwenden, also das Recht
über Krieg und Frieden. Dieses letztere Recht fehlt freilich auch
der Bundesgewalt nicht, doch ist sie, wenn sie es ausüben will,
in Ermangelung einer ihr eigenen bewaffneten Macht, auf die
Streitkräfte der Einzelstaaten bezw. denjenigen Teil dieser Kräfte
angewiesen, welchen die Einzelstaaten nach den Bestimmungen
der Bundesverfassung oder der Bundesverträge dem Bunde im
Kriegsfalle zur Verfügung zu stellen ‚verpflichtet sind. Der auf
den einzelnen Gliedstaat entfallende Teil der dem Bunde ins-
gesamt zu leihenden Streitkräfte heißt das „Kontingent“ dieses
Staates; aus den Kontingenten sämtlicher Einzelstaaten setzt sich,
nur im Kriegsfalle zusammentretend und alsdann dem Oberbefehl
eines von der Bundesgewalt ernannten Feldherrn unterstellt, das
Bundesheer zusammen. Eine derartige Verteilung der militärischen
Hoheitsrechte ist bisher nur in zersetzten und partikularistisch
entarteten Gesamtstaaten, wie in dem alten Deutschen Reiche in
seiner Spätzeit?, und andererseits in Staatenbünden vorgekommen;
og , N Haenel, StR 484, 485; Freund, Öffentl. R. d. Verein. Staaten von
A, 21:
2 Oben $ 29 S. 91, 9.
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