Die Funktionen. $ 199, 861
liegt dem Kaiser ob, welcher die Offiziere und Beamten der
Marine ernennt, und für welchen dieselben nebst den Mannschaften
eidlich in Pflicht zu nehmen sind.“ Das Wort „einheitlich“ be-
deutet hier, im Unterschied zu der Verwendung des gleichen
Ausdrucks im Art. 63 (oben 840), Einheitlichkeit nicht sowohl im
technischen als im staatsrechtlichen Sinne, es besagt: rein unitari-
sche Gestaltung. Die Marine ist, was das Landheer nicht ist:
eine reichseigene Anstalt, bezüglich deren dem Reiche nicht nur
das Recht der Gesetzgebung, sondern auch die Verwaltungshoheit,
und zwar beides ausschließlich, zusteht. Sache des Reichs,
und des Reichs allein, ist nicht nur die Verwendung, sondern
auch die gesetzgeberische Regelung, die Gestaltung, Unterhaltung
und Verwaltung der Seestreitkräfte. Die Verfassung der deutschen
Seemacht kennt keine Kontingentsherrlichkeit, keinerlei föderalisti-
sche Einrichtungen, keine Rücksichtnahme auf partikulare Wünsche
und Besonderheiten ; sie verkörpert den oben 837 angegebenen
unitarischen Organisationstypus in voller Reinheit. Der deutsche
Staat als Einzelstaat, als „Land“, ist auf dem Tätigkeitsgebiet der
Kriegsmarine schlechthin nicht mehr vorhanden. Die Einzel-
staaten haben weder das Recht auf eine eigene Marine, noch
irgendeinen Anteil an der Verwaltung der Reichsmarine Zur
See ist die bewaffnete Macht Deutschlands die eines Einheits-
staatos.
Die Organisation der Marine entbehrte lange Zeit einer gesetz-
lichen Grundlage. Sie beruhte lediglich auf Verordnungen des
Kaisers, dessen Organisationsgewalt (Art. 53 Abs. 1 Satz 2 RV)
nur durch den Reichshaushaltsetat beschränkt wurde. Eine gesetz-
liche Regelung des Bestandes der Flotte, d.h. des im Frieden
dauernd vorhandenen Teiles der Marine, hat erstmals im Jahre
1898 stattgefunden: Gesetz betr. die deutsche Flotte vom 10. April
1898. Dieses Gesetz erwies sich aber bald als ungenügend. Es
wurde ersetzt durch das Flottengesetz vom 14. April 1900, welches
in der Folge mehrfach — Gesetz vom 5. Juni 1906, 6. April 1908,
14. Juni 1912 — abgeändert wurde und durch die letzte dieser
drei Novellen eine neue Fassung erhielt!. Das Flottengesetz be-
stimmt in dieser seiner geltenden Fassung zunächst den Schiffs-
bestand der deutschen Flotte. Letzterer zerfällt: 1. in die
Schlachtflotte, bestehend aus einem Flottenflaggschiff, 5 Ge-
schwadern zu je 8 Linienschiffen, 12 großen und 30 kleinen
Kreuzern als Aufklärungsschiffen; 2. die Auslandsflotte: 8
große, 10 kleine Kreuzer. Dieser Schiffsbestand ist gesetzlich
iert, eine Vermehrung und Verminderung desselben kann also
nur auf Grund eines übereinstimmenden Beschlusses von
Bundesrat und Reichstag erfolgen. Ausgenommen bei Schiffs-
verlusten sollen Linienschiffe und Kreuzer nach 20 Jahren ersetzt
werden; die Frist läuft vom Jahre der Bewilligung der ersten
ı Verkündigt durch Bek. des Reichskanzlers vom 27. Juni 1912 (RGB1435).