Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Funktionen. $ 200. 865 
Recht der Ernennung der Offiziere zu. Die näheren Vorschriften 
über die Organisation der Schutztruppen werden vom Reichs- 
kanzler erlassen®. 
5b. Militärgesetzgebung. 
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Die Verfassung des Norddeutschen Bundes? be- 
stimmte, daß im ganzen Bundesgebiete die gesamte preußische 
Militärgesetzgebung ungesäumt eingeführt werden sollte, 
sowohl die Gesetze selbst als die zu ihrer Ausführung, Erläuterung 
oder Ergänzung erlassenen Reglements, Instruktionen und Re- 
skripte, namentlich das Militärstrafgesetzbuch vom 93. April 1845, 
die Militärstrafgerichtsordnung vom 3. April 1845, die Verordnung 
über die Ehrengerichte vom 20. Juli 1843, die Bestimmungen über 
Aushebung, Dienstzeit, Servis- und Verpflegungswesen, Einquar- 
tierung, Ersatz von Flurbeschädigungen, Mobilmachung usw., für 
Krieg und Frieden. Die Militärkirchenordnung war jedoch aus- 
geschlossen. | 
[Wie und durch wen die „ungesäumte Einführung“ der 
preußischen Militärgesetze und -verordnungen erfolgen sollte, dar- 
über bestimmt Art. 61 nichts. Sicher ist, daß die Einführung nicht 
schon durch den Artikel selbst bewirkt wird®, und daß sie nicht 
im Gesetzgebungs-, sondern im Verwaltungswege bewirkt werden 
soll. Strittig aber bleibt, wer zuständig ist, ob der Bund (nach- 
mals: das Reich) oder die Einzelstaaten und, wenn ersterer, der 
Bundesrat oder das Bundespräsidium. Es sind drei Meinungen 
hervorgetreten: eine will nur die Einzelstaaten, d. h. deren .Re- 
gierungen, die zweite nur die Bundesgewalt, und zwar das Pri- 
sidium (nach Inkrafttreten der Reichsverfassung: der Kaiser), eine 
dritte endlich sowohl die Landesregierungen wie das Präsidium 
für zuständig haltenb. In der Praxis hat sich die dritte dieser 
Ansichten Geltung verschafft: die Einführung der preußischen 
Militärgesetze und -verordnungen geschah in der Hauptsache durch 
auch die Kommandoangelegenheiten der Schutztruppen werden, unter 
Oberleitung des Reichskanzlers von der zuständigen Keichsbehörde, dem 
Reichskolonialamt, bearbeitet. Vgl. Rehm, Oberbefehl u. Staaterecht 7, 8. 
8 RG vom 18. Juli 1896 8 27. Vgl. die oben, N. 1 angeführten Organi- 
sstorischen Bestimmungen. 
ı Verf. des Nordd. Bundes Art, 61. . 
& So sollte es nach dem preuß. Entwurf der nordd, BVerf. sein; es 
hieß dort (Art. 58) nicht „einzuführen“, sondern peingef ührt“ (vgl. Laband 
4 22 Anm. 1). Die Anderung dieses „eingeführt“ in „ungesäumt einzuführen“ 
beruht auf einem Amendement der verbündeten Regierungen. . 
b Die erste Ansicht vertreten Laband (4 21) und Haenel (Studien 2 70), 
die zweite Seydel, Komm. z. RVerf., 1. Aufl., 223 und G. Meyer, 
1880 340, auch Voraufl. 737, die dritte Seydel, Komm., 2. Aufl., 329, Arndt, 
„erordnungerecht 127 ££., Komm, z. RVerf. (4. Aufl) 327 und Dambitsch, 
erf. 592.