Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Zeit des alten deutschen Reiches. 8 22. 17 
Leitung der Reichshofkanzlei, in deren Verhältnisse jedoch auch 
die Kaiser nach ihrem Ermessen eingriffen, der Reichstagskanzlei 
und der Kammergerichtskanzlei zu. 
Die Beendigung der kaiserlichen Regierung konnte durch 
Tod, Abdankung oder Absetzung erfolgen. Absetzungen'!® der 
Könige sind im Mittelalter tatsächlich vorgekommen. Unter dem 
Einfluß der Rechtsbücher entwickelte sich der Grundsatz, daß 
dem Fürstengericht unter Vorsitz des Pfalzgrafen bei Rhein eine 
Gerichtsbarkeit über Krone und Leben des Königs zustehe. Dieser 
Grundsatz fand durch die Goldene Bulle eine gesetzliche Bestä- 
tigung. Der Pfalzgraf mußte aber seine Jurisdiktion auf einem 
Reichstage und in Anwesenbeit des Königs ausüben; ein Kontu- 
mazialverfahren war also ausgeschlossen ?’., Die späteren Reichs- 
publizisten waren zweifelhaft, ob das Absetzungsrecht überhaupt 
noch bestände. Jedenfalls forderten sie für die Absetzung des 
Kaisers nach Analogie der Vorschriften über die Absetzung der 
Reichsstände einen Beschluß des Reichstages 18, 
Römischer König hieß der bei Lebzeiten des Kaiser 
designierte und erwählte Nachfolger desselben. Die Entscheidung 
über die Wahl und die Wahl selbst stand den Kurfürsten zu !®, 
Der Gewählte beschwor die Wahlkapitulation, wurde sofort ge- 
krönt und sukzedierte beim Tode des Kaisers ohne weiteres. 
Im Fall der Verhinderung des Kaisers fungierte er als Reichs- 
verweser. 
War ein römischer König nicht vorhanden, so ging die Reichs- 
regierung sowohl im Falle des Todes des Kaisers als bei Minder- 
jährigkeit und Verhinderung desselben auf die Reichsvikarien 
über?°,. Reichsvikarien waren der Pfalzgraf bei Rhein und der 
Herzog von Sachsen. Die ihrer Natur nach unteilbaren Geschäfte 
(z. B. die Abhaltung des Reichstages, die Autorisation des Reichs- 
kammergerichts zur Fortsetzung seiner Tätigkeit) übten beide 
gemeinsam aus, für die übrigen bestanden getrennte Bezirke. 
Der Pfalzgraf hatte die Vikariatsrechte in partibus Rheni et 
Sueviae et in jure Franconico, der Herzog von Sachsen in his 
locis, ubi Saxonica iura servantur?!, Die streitigen Grenzen der 
beiden Vikariatsbezirke wurden im Jahre 1750 durch einen Ver- 
gleich geregelt ®®. 
16 J, Weizsäcker, Der Pfalzgraf als Richter über den König, Ablı. 
Königl. Ges. d. Wissenschaften in Göttingen 83. O. Harnack in Forschg. z. 
deutsch. Gesch. 26 146 ff. Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte 492, 493; 
v. ec te Verantwortlichkeit der Monarchen und höchsten Magistrate 
(1 1108. 
hi Q. B. Dap: 5 8 3, Schröder a. a. O. 498. 
1 Leist, St.R. 8 68. Gönner, St.R. $ 106. 
19 W.C., Art UIS 11. 
3° Triepel, Interregnum 30 ff. 
21 G. B. Cap. V 81 u. 2, 
22 Gerstlacher, Corp. jur. Germanici 8 406.
	        
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