Die Funktionen. $ 204a. 883
einzelne Arten von Steuern* oder für außerordentliche Bedarfs-
fülle® ein anderes bestimmt — keine Steuern erheben ohne die
vor Beginn jeder Haushaltsperiode® nachzusuchende Bewilligung
sie darf dies auch nicht betreffs der Steuern, welche durch dauernd
geltende Gesetze geregelt sind. Das Steuerbewilligungsrecht ist
zugleich eine staatsrechıtliche Pflicht der Volksvertretung. Gegen-
stand dieser Pflicht ist, Steuern in dem Maße zu bewilligen, als
sie erforderlich sind zur Deckung des aus dem Staatshaushaltsplan
sich ergebenden Bedarfs. Bedarf aber ist das Mehr der not-
wendigen Ausgaben gegenüber den außersteuerlichen (genauer:
den nicht bewilligungsbedürftigen ”) Einnahmen. Darüber, ob eine
Ausgabe notwendig ist, befindet der Landtag, jedoch nicht nach
Willkür, sondern in rechtlich gebundenem Ermessen. Wichtig wird
hier, daß nach dem vorstehend erörterten Budgetrechtstypus das
Budget kein Gesetz ist, auch kein Gesetz im formellen Sinne. Die
Verfassungen der hier in Rede stehenden deutschen Staaten
wissen von einer Gesetzesform des Haushaltsplanes nichts®. Der
Haushaltsplan ist — im Unterschiede von der Steuerforderung —
keine Gesetzesvorlage, welche zu beliebiger Änderung und auch
zu völliger Ablehnung berechtigt. Der Landtag steht dem Budget
nicht in legislativer Freiheit, sondern in administrativer Gebunden-
heit gegenüber. Darin liegt: bei der Prüfung des Budgets sind
die bestehenden Gesetze und sonstigen rechtlichen Notwendigkeiten
maßgebend; diese Prüfung darf nicht dazu benutzt werden, um
die Gesetze unvollziehbar und rechtlich notwendige Einrichtungen
unmöglich zu machen. Ein Recht des Landtags, die Ausgaben zu
verweigern, besteht nach diesem System formell überhaupt nicht
(da der Landtag über den Staatshaushaltplan nicht zu beschließen,
sondern ihn nur zu prüfen hat), aber auch materiell insoweit nicht,
* 7. B. indirekte Steuern nach der bayer. Verf. Tit. VII $ 3 (oben N. 2).
5 Hierher gehört namentlich der Fall, daß die Vereinbarung über den
Staatshaushaltsplan und infolgedessen auch die Steuerbewilligung nicht
rechtzeitig zustande kommt. In diesem Falle können die zuletzt bewilligten
Steuern forterhoben werden wälırend einer bestimmten Zeit nach Ablauf
der Haushaltsperiode (s. d. nächste Anm.) nämlich: vier Monate: Württ.
Verf. $ 114; ein halbes Jahr: Bayr. Verf. Tit VII $ 7, Bad. Verf. $ 62,
Hess. Verf. Art. 69, Wald. Verf. $ 86; cin Jahr: Sächs. G. vom 5. Mai
1851 8 5, G. vom 27. November 1860, S.-Alt. GG $ 206, Reuß ä. L. Verf.
8 72; eine Finanzperiode: Reuß | L. StGG 8 57.
® Die Länge der Haushaltsperiode beträgt: cin Jahr in Hessen (Verf.
Art. 67 Abs. 2) und S.-Meiningen (GG $ 47); zwei in Bayern (G. vom
10. Juli 1865), Sachsen (G. vom 3. Dez. 1868), Baden (Verf. $ 54) und Braun-
schweig (G. vom 26. März 1888), tatsächlich auch in Württemberg, dessen
Verf. ($ 112) als „Regel“ eine dreijährige Periode vorschreibt; drei Jahre
in S.-Weimar (RGG 5 35), S.-Altenburg (G. vom 16. Sept. 1850), Anhalt
(NLO 8 31), Schw.-Rudolstadt (GG $ 28), Reuß ä. L. (Verf. $ 70), Reußj. L.
(8tGG a 56, 78, 81).
? Oben 882.
8 _ im Gegensatz zu dem Etatsrecht Preußens und des Reichs; 8. unten
887, 919. Der Satz des Textes ist für Bayern näher ausgeführt von Seydel
(Seydel-Graßmann), Bayer. StR 2 96—98.
G. Moyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht. III. 7. Auf. 57