0916 Zweiter Teil. Drittes Buch, & 208a.
während sie für die Bundesstaaten nicht den gehofften Erfolg
hatte: die Überweisungen überstiegen nach kurzer Zeit nicht mehr
die Matrikularbeiträge, so daß sich sowohl im Reich wie in den
Einzelstaaten andauernd Fehlbeträge einstellten. Daraus ergaben
sich in der Folge nachhaltige Bestrebungen der verbündeten
Regierungen, das Verhältnis von Matrikularbeiträgen und Über-
weisungen gesetzlich zu regeln und damit feste finanzielle Be-
ziehungen zwischen Reich und Einzelstaaten herzustellen. Nach-
dem ein auf die Erreichung dieses Zieles gerichteter, dem Reichs-
tage im Jahre 1893 vorgelegter Entwurf eines Gesetzes, betreffend
die anderweite Ordnung des Finanzwesens des Reiches®, die Zu-
stimmung des Reichstages nicht erhalten hatte, ergingen in den
Jahren 1896—1900 alljährlich besondere Gesetze — ihrem Inhalte
nach in erster Linie Schuldentilgungsgesetze —, welche den un-
bestrittenen und unbestreitbaren Mängeln der Reichsfinanzwirtschaft
jeweils für die Dauer des betreffenden Etatsjahres abzuhelfen
suchten®. Die einander korrespondierenden, sich in ihrem Dasein
gegenseitig bedingenden Einrichtungen der Matrikularbeiträge und
erweisungen wurden dagegen zunächst aufrechterhalten.
Eine endgültige Ordnung dieser Verhältnisse bahnte erst die
Finanzreform des Jahres 1904 an. Die durch die Gesetzgebung
von 1879—1902 zum System erhobene Frankensteinsche Klause
wurde aufgehoben, soweit sie sich auf Zölle und Tabaksteuer be-
zieht. Dagegen blieben die Stempelsteuern und die Branntwein-
verbrauchsabgabe als Überweisungssteuern bestehen und die Maisch-
bottichsteuer sowie die Branntweinmaterialsteuer wurden zu Über-
weisungssteuern erklärt. Der Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer
kam nun also wieder ganz, ohne eine Pflicht zur Hinauszahlung
an die Einzelstaaten, den Reichsfinanzen zugute. Außerdem wurden,
wie bereits erwähnt, jetzt die Überweisungen in Art. 70 RV aus-
drücklich genannt!®,
Bei der Finanzreform des Jahres 1909 fiel dann auch der
letzte Rest der Überweisungssteuern, mit Ausnahme der Brannt-
weinsteuer, deren Ertrag den Einzelstasten nach wie vor voll
verblieb. An die Stelle der Branntweinsteuer trat 1918 das Brannt-
weinmonopol, dessen Reinertrag den Einzelstaaten bis zum Be-
trage von 195 Mill. Mark jährlich überwiesen wird!°* Neue
berweisungssteuern sind. seit 1904 nicht mehr geschaffen worden,
einzig erhalten die Einzelstaaten ihre Erhebungsprozente und
ihre Anteile aus den verschiedenen gemeinschaftlichen Abrech-
nungsverhältnissen (vgl. unten 918, 919). Doch erlangten die
Einzelstaaten im Interesse der Aufrechterhaltung ihrer finanziellen
Selbständigkeit bei der 1906 erfolgten Übernahme der seither
einzelstaatlichen Erbschaftssteuern auf das Reich eine Beteiligung
® Drucks. des Reichstags 1893/1894 Nr. 51. Stenogr. Ber. 907, 923, 953.
® Über den Inhalt dieser sog. leges Lieber vgl. die Voraufl. 8. 773.
1° RG vom 14. Mai 1904, oben Anm. 7.
10& RG über das Branntweinmonopol vom 26. Juli 1918, 8 259.