Die Funktionen, 8 212, 055
streitigkeiten und Streitigkeiten über die Regentschaft!?, Dagegen
kann die Geltendmachung eines Anspruchs auf Verleihung einer
bestimmungen seien stets politische Streitigkeiten) Als berechtigt zur
Erhebung des Verfassungsstreites müssen auch die Mitglieder einer nicht
konstituierten, selbst einer aufgelösten Landesvertretung angesehen werden,
wenn die Regierung durch Aufhebung der Verfassung, Nichteinberufung
oder ähnliche Maßregeln die Tätigkeit der verfassungsmäßigen repräsentativen
Körperschaft unmöglich gemacht hat. Vgl. Haenel, Staater. 1 568.
12 Der Begriff der Verfassungsstreitigkeiten im Sinne des Art. 76 Abs. 2
ist nicht auf Streitigkeiten zwischen Regierung und Volksvertretung be-
schränkt. Es können daher Streitigkeiten zwischen zwei Thronanwärtern
auch dann zur Entscheidung gelangen, wenn einer derselben vom Landtage
des betreffenden Staates anerkannt ist. — Anderer Ansicht: Seydel im Jahr-
buch 290 N. 3, Kommentar 108, staatsrechl. und polit. Abhandl. 203, 227 ff.,
253; H. Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes 2 61; Laband 1 271
273, 274; Zorn, Staatsr. 1172; Arndt, Kommentar zur Reichsverf., zu Art. 716
N. 7, in der deutschen Juristenzeitung 8 499; Kekule v. Stradonitz im Arch-
ÖfR 14 20f.; Perels a. a. O. 48; riepel in der Laband-Festschr. (1908)
929, 330. UÜbereinstimmend: Thudichum, VerfassR 60, 325; Haenel, Staatsr.
1 568; Bornhak, Die Thronfolge im Fürstentum Lippe (1895) 63; v. Rönne,
Staatsr. des Deutsch. Reich. 1 220. — Wenn Art. 76 Abs. 2 der RVerf auf
Thronstreitigkeiten keine Anwendung findet, dann gibt es im Reiche über-
haupt keinen Weg zur Entscheidung derselben, und die Angelegenheit muß
innerhalb des betreflenden Staates zum Austrag gebracht werden. — Laband
ist der Meinung, der Bundesrat könne die Frage dadurch entscheiden,
daß er, wenn mehrere Prätendenten aufträten, den Bevollmächtigten eines
dieser zuließe und damit indirekt den Vollmachtgeber desselben als thron-
folgeberechtigt anerkennte (Staatsr. 1 250, 274, 275). Aber ein derartiger
Streit kann unmöglich als ein Inzidentpunkt bei Gelegenheit einer Legiti-
mationsprüfung erledigt werden. Vgl. dagegen auch Seydel, Kommentar
408, 409 und staatsrechtl. und polit. Abhandl. 198 ff. Übrigens gibt Laband
275 unumwunden zu, daß vermittelst des bundesrätlichen Legitimations-
prüfungsrechts eine T'hronstreitigkeit nicht vollständig und mit Rechtskraft
nach allen Seiten hin erledigt werden könne, denn die Entscheidung über
die Legitimation treffe „nur ein einzelnes in der Staatsgewalt enthaltenes
Recht, die Stimmführung im Bundesrat“. Die Zuständigkeit des Bundesrates
zur Entscheidung von Thronfolgestreitigkeiten ergibt sich nach Laband 275,
276 weder aus dem ersten noch aus dem zweiten Absatz des Art. 76 RV,
überhaupt nicht aus einer positiven Vorschrift, sondern aus allgemeinen
Grundsätzen, aus der bundesstaatlichen Natur des Reichs und aus der all-
gemeinen und subsidiären Zuständigkeit des Bundesrates. Siehe darüber
eydel, Staatsrechtl. und politische Abh, 197 ff. Der Versuch Zorns, die
Kompetenz des Bundesrates auf Art. 1 RV zu stützen, ist vollständig miß-
glückt; vgl. Seydel a. a. O. 187ff. Auch der Eingang der RV, die sog.
„Präambel“, kann hier nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden,
denn sic hat überhaupt keine dispositive Bedeutung (rel. oben 195). Über-
einstimmend: seydel 208 ff.; Triepel, Reichsaufsicht 365 N. 4 (sowie bezüg-
lich der rechtlichen Natur der „Präambel“: das. 856 N. 6, 378, 446 N. 3);
a. M. Dambitsch, RVerf 15.] Ebensowenig kann der Bundesrat auf Grund
des Art. 76 Abs. 1 der RVerf für zuständig erachtet werden, wie Kekule
v. Stradonitz a.a. 0. 7ff. für den Fall behauptet, daß ein anderer deutscher
Fürst eine Erbberechtigung behauptet. Thronstreitigkeiten sind keine Streitig-
keiten unter Staaten (vgl. indessen oben Anm. 9), sondern innere Angelegen-
heiten eines bestimmten Staates. Auch der Herrscher eines andern deutschen
Staates, welcher Anspruch auf die Thronfolge erhebt, tut dies nicht als
Repräsentant eines Staates, sondern entweder als Glied der in dem
Staat,umdessen Thron es sich handelt, herrschenden Familie