84 Erster Teil. Erstes Buch. $ 25
Landesgerichten ging der Rechtszug an das königliche Gericht®.
Seit dem vierzehnten Jahrhundert wurden einzelnen Landesherren,
zuerst den Kurfürsten?, sogenannte privilegia de non evocando
und de non appellando erteilt, durch welche für ihre Länder so-
wohl die konkurrierende, als die Berufungsgerichtsbarkeit des
königlichen Gerichtes beseitigt wurde.
5 25.
Eine bedeutende Reorganisation erfuhr die Rechtspflege des
Reiches durch die am 7. August 1495 erfolgte Errichtung des
kaiserlichen und Reichskammergerichtes!. Dasselbe
wurde am 31. Oktober 1495 zu Frankfurt eröffnet? und wechselte
anfangs häufiger seinen Sitz, bis es im Jahre 1526 nach Speier
kam®,. Diese Stadt wurde ihm bald darauf als ständiger Sitz
angewiesen‘. Im Jahre 1689 erfolgte wegen der Zerstörung Speiers
durch die Franzosen seine Verlegung nach Wetzlar®, wo es bis
zum Ende des Reiches geblieben ist.
Das Reichskammergericht knüpfte zwar an das königliche
Kammergericht an®, unterschied sich aber von demselben dadurch,
daß es kein persönliches Gericht des Königs, sondern ein Reichs-
gericht* war, auf dessen Besetzung auch den Reichsständen ein
e S. Sp. U, 12, 4, Heinriei VI mandat. de app. Mon. Germ. ed.
Pertz 568.
? G. B. Cap. XI 83 1—.
1 Ordnung des kaiserlichen Kammergerichtes zu Worms, aufgerichtet
a. 1495 (Neue Sammlung 2 6ff.; Zeumer, Quellensammlung 284) Vgl.
Thudichum, Das vormalige Reichskammergericht und seine Schicksale, Zeit-
schrift für deutsches Recht 20 (1861) 1481. W. Endemann, Von dem alten
Reichskammergericht, Buschs Z. (ZZP.) 18 165 ff. Eine umfassende Mono-
graphie über das Reichskammergericht hat R. Smend in Angriff genommen,
erschienen ist davon (1911) der erste Teil (als Bd. IV H.83 der Zeumerschen
Quellen und Studien): Geschichte und Verfassung (im folgenden zitiert als
„Smend*). Vgl. auch Smend, Brandenburg-Preußen und das Reichskammer-
gericht, Forsch. z. brandenb. u. preuß. Gesch. 20 465 ff.
® Smend, 68 ff.
® R.A. zu Speier von 1526 $ 23. Smend 135.
* R.A. zu Augsburg von 1530 $ 8.
6 Kaiserl. Kommissionsdekret vom 20. Oktober 1689 (Neue Sammlung
4 157; Zeumer, Quellenslg. 468; Smend 215 ff.
6 Diese Anknüpfung — im Sinne rechtlicher Kontinuität des Zusammen-
hangs — besonders betont von v. Below, Ursachen der Rezeption des Röm.
Rechts (1905), 115 ff. und von Smend 47 ff., 51, Anm. 67
& „Reich“ darf aber hier nicht im Sinne des oben $ 23 N. 2 bezeich-
neten neueren Sprachgebrauchs als Gegensatz zum aiser“ aufgefaßt
werden, so als ob vom Reichskammergericht eine im Subjekt von der kaiser-
lichen verschiedene Gerichtsbarkeit ausgeübt worden wäre. Wie der Reichs-
hofrat (unten 5 26), so handhabte auch das Reichskammergericht die dem
Reiche (als Staatswesen, als zusammenfassende Einheit von Kaiser und Reichs-
ständen) zustehende, im Kaiser ihre oberste persönliche Verkörperung findende
Justiz aus. Das kommt auch in dem amtlichen Titel des Gerichtshofes zum
Ausdruck, welcher bis 1806 überwiegend lautet: Kaiserliches und
Reichs-Kammergericht. Insofern standen sich Reichskammergericht und