048 Zweiter Teil. Viertes Buch. 8 214.
nur noch Bedeutung für die Ausübung der staatsbürgerlichen oder
politischen Rechte? und kraft einer ausdrücklichen Festsetzung
der Reichsverfassung für die Aufnahme in den lokalen Gemeinde-
verband und die Armenversorgung behalten. Der letztere Punkt
ist jedoch dadurch erledigt, daß das Reichsgesetz über den
Unterstützungswohnsitz die auf die Armenversorgung bezüglichen
Grundsätze für das ganze Reichsgebiet* einheitlich geregelt hat.
Auf juristische Personen findet die Vorschrift des Art. 8 der
Reichsverfassung keine Anwendung,
Erstes Kapitel.
Die bürgerlichen Rechte.
I. Das Recht des Aufenthaltes im Gebiet.
8 215.
1. Das Recht, sich im Staatsgebiet aufzuhalten, ist
ein ausschließliches Vorrecht der Staatsangehörigen. Wenn
auch nach den Grundsätzen des modernen Völkerrechts kein Staat
den Ausländern den Eintritt in sein Gebiet überhaupt untersagen
darf, so hat doch jeder Staat das Recht, einzelne Ausländer aus
Gebiete des deutschen Öffentlichen Rechtes 2 936ff.; v. Groß, Zur Inter-
retation des Art. 3 der Verfassung des Norddeutschen Bundesstaates, im
erichtssasl 19 329 ff.; O. Bockshammer, Das Indigenat des Art. 3 der deut-
schen Reichsverfassung (1896); Anschütz, Enzykl. 83, 84.
8 Die Ansicht, daß die ın einem anderen deutschen Staate wohnhaften
Reichsangehörigen dort auch ohne weiteres zur Ausübung der politischen
Rechte zuzulassen seien, ist unbegründet, Die Worte „zur Erlangung des
Staatsbürgerrechtes“ in Art. 3 der RVerf. sollen nicht "bedeuten, daß der
Angehörige eines jeden deutschen Staates in jedem anderen deutschen Staste
die politischen Rechte ausüben könne, sondern nur, daß er im Falle des
Erwerbes der Staatsangehörigkeit unter denselben Bedingungen wie Inländer
in den Besitz der politischen Rechte tritt, also den besonderen Beschrän-
kungen nicht unterliegt, welche in dieser Beziehung für Ausländer bestehen.
Vgl. jedoch oben $ 99 S. 349 und Anm. c.
* [Das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz gilt seit der Novelle
vom 80. Mai 1908 auch in Elsaß-Lothringen, seit der vom 90. Juni 1913
auch in Bayern, nunmehr also im ganzen Reichsgebiet. Vgl. oben $ 81
Anm. 2 a. E., $ 112 S. 429 und Anm. 18. $ 80 Anm. 32 (oben 8. 265), wo
esagt ist, daß das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz in Bayern keine
Geltun erlangt habe, ist hiernach zu berichtigen.)
6 Dies ergibt sich schon daraus, daß die Voraussetzung der Gleich-
berechtigung Besitz der Staatsangehörigkeit eines deutschen Staates ist,
‚uristische Personen aber eine Staatsangehörigkeit nicht haben können.
ie im Text Seydel, Kommentar zu Art.3 Nr. IV; Zorn, Staatsrecht 1 349;
Laband 1 184 Anm. 1; v. Kirchenheim, Lehrbuch des deutschen Staats-
rechtes 1388 N. 1; Arndt, Kommentar zur Reichsverf. 70, 71; Dambitsch
a. a. O. 72, 73, v. Jagemann, RVerf. 61; Entsch. des Kammergerichts vom
27. April 1896 (Entsch. 16 72) und vom 14. März 1898 (Entsch. 18 76); And.
Ansicht: Das Reichsgericht, RGZ 6 142; Haenel, Staatsr. 589 Anm. 9;
Brückner a. a. O. 6; Mandry, Zivilrechtlicher Inhalt der Reichsgesetze 41
N. 2; Bocksehammer a. a. O. 73 ff.; Isay, Die Staatsangebörigkeit jurietischer
Personen (Abhandl. v. Zorn u. Stier-Somlo 8 2).