Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Zeit des alten deutschen Reiches. $ 25. 85 
Einfluß zustand und welches in seiner Tätigkeit von dem kaiser- 
lichen Hofe ebenso unabhängig war — oder doch sein sollte —, 
wie vom Reichstag. 
Das Kammergericht sollte ursprünglich aus einem Kammer- 
richterb, der ein weltlicher oder geistlicher Fürst, ein Graf oder 
Freiherr sein mußte, und sechzehn Urteilern bestehen, von 
denen die Hälfte dem Stande der Rechtsgelehrten, die andere 
Hälfte der Ritterschaft entnommen war’. Die Zahl der Beisitzer 
wurde durch verschiedene Reichsschlüsse vermehrt und im Jahre 
1530 auf 24 festgesetzt. Unter diesen sollten 2 verständige Grafen 
oder Herren sein, von denen einer den Kammerrichter in Ver- 
hinderungsfällen zu vertreten hatte. Gleichzeitig ordnete man die 
Einteilung des Kammergerichtes in drei Räte (Senate) an®. Aber 
die Zahl der Beisitzer wurde tatsächlich fast niemals innegehalten, 
weil es an den nötigen Mitteln zur Besoldung fehlte. Im Jahre 
1548 übernahmen zwar die Stände die Verpflichtung, das Kammer- 
gericht durch bestimmte Beiträge (Kammerzieler) zu unterhalten ®, 
die Bezahlung derselben war jedoch eine so unregelmäßige, daß 
auch durch diese neue Einrichtung nicht viel gebessert wurde, 
Die Bestimmung des Westfälischen Friedens !°, daß das Kammer- 
gericht außer dem Kammerrichter 4 Präsidenten und 50 Beisitzer 
umfassen sollte, erwies sich ebenfalls als unausführbar. Die Zahl 
der Beisitzer mußte im Jahre 1719 auf 25, die der Präsidenten 
auf 2 herabgesetzt werden !!, und selbst diese wurde erst seit 
1782 innegehalten 12, M 
Die Ernennung des Kammerrichters und der Beisitzer 
sollte ursprünglich durch den Kaiser mit Genehmigung des Reichs- 
tages erfolgen !®. Auf dem Reichstage zu Konstanz im Jahre 1507 14 
wurde ein Präsentationsrecht der Reichsstände für die Stellen am 
Reichskammergericht eingeführt. Die Auswahl aus den 2 bis 3 
präsentierten Personen erfolgte zuerst durch die zur Visitation des 
Gerichtes bestimmte Reichsdeputation, später wurde sie dem Kaiser 
  
Reichshofrat in der Tat „verfassungsrechtlich durchaus gleich“, wie Smend 51 
N. 2 sagt. Vgl. auch Smend in der oben $ 23 N. 2 zit. Abhandlung über 
„Kaiser und Reich“, 441 ff. 
b — ein „Richter“ im Sinne des Mittelalters, der, als Repräsentant des 
Gerichtsherrn den Vorsitz führte und die Geschäfte des Gerichts leitete, 
auch wohl das Urteil sprach, aber es nicht fand, auch nicht finden half, 
also an der eigentlichen Tätigkeit des Gerichts materiell nicht beteiligt war. 
Smend 244, 251 ff. 
TK.CG.O. von 149 $ 1. 
8 R. A. zu Augsburg von 1530 $ 76. Smend 139, 267. 
®» R. A. zu Augsburg von 1548 $ 80. K.G.O. von 1555 T. I. Tit. 52. 
10 Instr. pac. Osnabr. Art. V 8 58. 
11 Reichsgutachten vom 15. Dezember 1719 (Neue Sammlung 4 344 ff.; 
Zeumer, Quellsig. 499) und kaiserliches Ratifikationsdekret vom 3. November 
1720 (ebenda 347 ff.) 
12 Thudichum a, a. O. 206. 
® K, G. O. von 1495 $$ 1 u. 2. 
#R, A, zu Konstanz von 1507 $$ 16 und 17.
	        
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