Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

964 Zweiter Teil. Viertes Buch. 8 220. 
auch mit bürgerlichen Strafen bedroht?®. Die Reformation 
bewirkte zwar, daß neben der katholischen Religion auch die 
rotestantische (Augsburger Konfession) eine rechtlich gesicherte 
Stellung innerhalb des Reiches erhielt. Aber sie führte noch nicht 
zur Anerkennung der individuellen Religionsfreiheit,. Sowohl der 
Augsburger Religionsfriede®, als der Westfälische Friede*, be- 
trachteten es als ein Recht der Landesherren, die konfessionellen 
Verhältnisse innerhalb ihrer Territorien nach ihrem Ermessen zu 
estalten. Dem einzelnen Untertanen blieb, wenn er sich durch 
ie konfessionellen Anordnungen des Landesherrn in seinem Ge- 
wissen beschwert fühlte, lediglich das Recht der Auswanderung°. 
Nur sehr geringe Beschränkungen waren dem sogenannten landes- 
herrlichen Reformationsrecht durch den Westfälischen Frieden ge- 
zogen®. Auch diese galten lediglich gegenüber den anerkannten 
Religionsparteien. Andere Bekenntnisse als das katholische und 
Augsburgische sollten im Reiche überhaupt nicht zugelassen 
werden?”. Nur die Juden erfreuten sich einer Duldung, die sie 
aber mit schweren Lasten und Beschränkungen ihrer Rechtsfähig- 
keit erkaufen mußten. 
Erst im achtzehnten Jahrhundert kamen in Deutsch- 
land die Grundsätze der Toleranz zur Geltung. Trotz der Be- 
stimmungen des Westfälischen Friedens legten sich die Landes- 
herren die Befugnis bei, auch andere Bekenntnisse als das katho- 
lische und Augsburgische in ihren Territorien zuzulassen. Nament- 
lich ging der preußische Staat in den Grundsätzen religiöser 
Duldung voran. Nach der Erwerbung bedeutender katholischer 
Gebietsteile durch die Eroberung Schlesiens und die polnischen 
Teilungen blieb in denselben die katholische Kirche nicht nur in 
dem bisherigen Umfange bestehen, sondern ihre Angehörigen 
wurden auch den Protestanten in allen Bezieliungen gleichgestellt. 
Dieselbe Duldung gewährte man (im Widerspruch mit den Vor- 
schriften des Westfälischen Friedens) den kleineren christlichen 
Religionsgesellschaften, welche sich neben anerkannten Haupt- 
kirchen gebildet hatten. Das Religionsedikt von 1788 und das 
Allgemeine Landrecht proklamierten den Grundsatz der Glaubens- 
und Gewissensfreiheit und, so weit nicht besondere Gesetze etwas 
anderes bestimmten, die Gleichberechtigung der Angehörigen aller 
Konfessionen in bürgerlicher Beziehung®. Unter der Regierung 
8. Sp. Bd. II Art. 13 8 7, Constitutio in basilica beati Petri von 1220 
e.5u6 sichegesetze von 1231, 12932, 1238, 1312 (Mon. Germ. Leg. T. II 
p. 48, 284, 237, 326, 585). 
8 RA von 1555 $$ 15 u. 16. 
* Instr. pac. Osnabr. Art. V $ 30. 
6 RA von 1555 $ 24, Instr. pac. Osnabr. Art. V 8 86. 
© Instr. pac. Osnabr. Art. V 85 31-36. 
T RA von 1555 $ 17, Instr. pac. Osnabr. Art. VII 85 1u.2. 
8 Edikt, betr. die Religieneverfassung in den preußi 
ischen Staaten, vom 
9. Juli 1788 (Nov. Corp. Bd. VIII S. 2175), ALR Teil 11 Tit. 11 88 1—6.
	        
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