Rechtsverhältnisse der Untertanen. $ 221. 067
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Als ein Ausfluß des Grundsatzes, daß die geistige Bewegung
frei sein soll, erscheint auch die Preßfreiheit!. Die Ent-
wicklung des Preßrechtes hat zwei Stadien durchlaufen. In älterer
Zeit, und zwar in Deutschland bis zur Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts, herrschte das sogenannte Prohibitiv- oder Pr&-
ventivsystem. Dasselbe suchte jede rechtswidrige oder sicher-
heitsgefährliche Handlung der Presse dadurch zu verhindern, daß
es die Verbreitung der Preßerzeugnisse an eine vorherige obrig-
keitliche Prüfung und Bewilligung knüpfte (Zensur). An seine
Stelle ist in neuerer Zeit das Repressivsystem (Preßfreiheit)
getreten, welches die Herstellung und Verbreitung der Preß-
erzeugnisse von keinerlei Genehmigung abhängig macht, die durch
die Presse begangenen verbotenen Handlungen dagegen einer
nachträglichen Bestrafung unterwirft?.
Die ‚Notwendigkeit, die Verhältnisse der Presse rechtlich zu
ordnen, entstand mit Erfindung der Buchdruckerkunst. Die Ein-
führung der Zensur erfolgte zunächst auf Anordnung der Päpste
(Alexander VI., Leo X.) Auch in Deutschland wurde dieselbe
ursprünglich von den kirchlichen Organen gehandhabt. Seit dem
sechzehnten Jahrhundert beschäftigte sich die Reichsgesetzgebung
mit dem Gegenstande. Sie bestimmte, daß auf den Drucksachen
Name und Wohnort des Druckers angegeben werden müsse, und
daß die landesherrliche Obrigkeit alle Preßerzeugnisse zu über-
wachen und nötigenfalls zu verbieten habe, Um die Durchführung
dieser Maßregeln zu erleichtern, wurde festgesetzt, daß Druckereien
nur in Residenz-, Universitäts- und ansehnlichen Reichsstädten
zugelassen werden sollten. Zur Überwachung des Preßwesens im
Reiche bestand ein kaiserliches Bücherkommissariat zu Frankfurt
am Main. Trotz dieser Bestimmungen wurde die Zensur nicht
überall sofort in Anwendung gebracht, sondern erst sehr allmählich
im Laufe des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, oft auf
Grund von Verträgen mit einzelnen Druckern, durchgeführt. Im
achtzehnten Jahrhundert bestand sie fast in allen deutschen Territorien,
doch kam vereinzelt auch völlige Freiheit der Presse vor.
Art. 18 der deutschen Bundesakte sicherte eine einheitliche
Gesetzgebung über die Presse zu, welche auf dem Prinzip der
Preßfreiheit beruhen sollte. Denselben Grundsatz brachten
die in dieser Zeit erlassenen Verfassungen und Gesetze der ein-
zelnen Staaten zur Durchführung. Das Bundespreßgesetz vom
20. September 1819° führte jedoch für alle Zeitungen, Zeitschriften
ı Vgl. Meyer-Dochow 147 ff. Dort, 147 Anm. 1, weitere Literatur, Dazu
noch Anschütz, Komm. 1 496 ff.
8 Auch L. v. Stein, der früher noch einen Unterschied zwischen Pro-
bibitiv- und Präventivsystem machte (Verwaltungslehre Teil VI 8. 44 ff.),
unterscheidet jetzt,.nur noch Prohibitiv- und Repressivsystem (Handbuch der
Verwaltungslehre, 3. Aufl. 2 ad
8 BB vom 20. Sept. 1819 (G. v. Meyer a.a. 0. 2 97 ff). Dem ursprüng-