Rechtsverhältnisse der Untertanen. $ 225. 977
Da der Heeresdienst die volle Hingabe der Persönlichkeit an
den Staat verlangt, so wird er nur von Staatsangehörigen
gefordert. Die Heranziehung der Angehörigen eines fremden Staates
zur Militärpflicht würde völkerrechtswidrig sein. Gestattet ist da-
gegen die Auferlegung der Militärpflicht auf solche im Lande
sich aufhaltende Personen, welche zwar nicht die inländische
Staatsangehörigkeit, aber auch keine auswärtige besitzen.
Diesen Grundsätzen entsprechend sind im Deutschen Reiche für
militärpflichtig erklärt worden:
a) alle Reichsangehörigen®;
b) Personen, welche dns Reichsgebiet verlassen, die Reichs-
angehörigkeit verloren, eine andere Staatsangehörigkeit aber nicht
erworben oder wieder verloren haben, wenn sie ihren dauernden
Aufenthalt in Deutschland nehmen, ferner Söhne ausgewanderter
und wieder in das Deutsche Reich zurückgekehrter Personen,
voorn, die Söhne keine andere Staatsangehörigkeit erworben
aben ”.
Die Wehrpflicht wird nach der Verfassung nicht dem Reiche,
sondern den Einzelstaaten geleistet (vel. oben $ 196 S. 850).
Die Grundsätze über die Wehrpflicht beruhen nicht auf Landes-,
sondern auf Reichsgesetzen. Die Staatsangehörigkeit zum Einzel-
staate bleibt bei der Wehrpflicht völlig außer Betracht, jeder
Reichsangehörige wird in demjenigen Staate, in welchem er seinen
Wohnsitz hat, zur Erfüllung derselben herangezogen. Für die
Verteilung der Militärlasten auf die Einzelstaaten gibt nicht die
staatsangehörige, sondern die reichsangehörige Bevölkerung den
Maßstab ab®,.
Die Wehrpflicht ist eine allgemeine; es unterliegen ihr
alle Reichsangehörigen und es bleibt jede Stellvertretung bei der-
selben ausgeschlossen. Befreit von der Leistung des Militärdienstes
sind nur: 1. die Mitglieder regierender Häuser; 2. die Mitglieder
der mediatisierten, vormals reichsständischen und derjenigen
Häuser, welchen die Befreiung von der Wehrpflicht durch Ver-
träge zugesichert ‘ist oder auf Grund besonderer Rechtstitel zu-
steht?; 3. die vor dem 11. August 1890 geborenen Helgoländer !°,
gebiete vom 22, Juli 1913 (RGBI 610). — Laband, Staater. 4 194 ff.; Fr. Oetker,
nie Wehrpflicht im Deutschen Reiche und in Österreich-Ungarn, ArchÖfR
© RVerf Art. 57, RG, vom 9. Nov. 1867 8 1.
7 AMilitärgesetz vom 2. Mai 1874 $ 11.
8 Übereinstimmend: Zorn, Staatsrecht 1 201; H. Schulze, Lehrbuch
des deutschen Staatsrechts 2 266 ff.; v. Kirchenheim, Lehrb. des deutschen
Staatsrechts 347; Brockhaus, Das deutsche Heer 112ff. Anderer Ansicht:
Laband, der die Wehrpflicht als eine Pflicht betrachtet, welche die An-
gehörigen der einzelnen Staaten ihrem Landesherrn als Kontingentsherrn
eisten (Staatsrecht 4 72 ff.; Seydel, Kommentar zu Art. 57 Nr. I; Hecker,
Art. „Fahneneid‘“ in v. Stengels Wörterbuch 1 (1. Aufl.) 375; Gümbel, AnnDR
1899 147 ff. Vgl. dagegen: G. Meyer, AnnDR 1880 344 ff.
® RVerf Art. 57, RG vom 9, Nov. 1867 8 1.
10 RG. vom 15. Dez. 1890 $ 8.