Full text: der Weltkrieg 1914. Band 2. (1)

— 697 — 
„Times“ gegen „Times“. 
Unter dieser Ueberschrift könnte man eigentlich fast täglich etwas 
bringen, da es zu den Gepflogenheiten dieses Blattes gehört, sich selbst zu 
widersprechen. In diesen Widersprüchen liegt eine so unfreiwillige Komik, 
die manchmal so erheiternd ist, daß wir sie unseren Lesern nicht vorent- 
halten möchten. Hier eine Probe: 
„Times“ 
vom 29. Juli 1914: 
„Deutschland hat sich sehr gut 
betragen. Es wird natürlich seinem 
Verbündeten eine diplomatische 
Unterstützung gewähren; indessen 
kann der deutsche Generalstab von 
den Bedingungen, unter denen 
Oesterreich diesen Feldzug beginnt, 
nicht sonderlich erbaut sein. 
Deutschland ist an den österrei- 
chischen Kriegswagen geschmiedet 
(Germany is being dragged at the 
beels of the Austrian war chariot), 
und seine Lage ist nicht erquicklich. 
Wenn Deutschland zum Arma- 
geddon werden sollte, so wird es 
einen großen Teil des verbündeten 
Heeres in den serbischen Bergen 
auf einem Neben-Kriegsschauplatz 
beschäftigt finden, so daß auf dem 
Haupt-Kriegsschauplatz die Bürde 
des Krieges ganz oder doch zum 
großen Teil auf Deutschlands 
Schultern ruhen würde. 
Wenn Deutschland kann, wird 
es sich vom Kriege fernhalten. Ein 
Casus foederis braucht notwendi- 
gerweise nicht eher einzutreten, als 
bis Oesterreich von Rußland tat- 
sächlich angegriffen wird. 
Was Italien anbetrifft, so hieße 
es wirklich zuviel verlangt, daß es 
seine Armee für eine Vergrößerung 
Oesterreichs in die agschale 
werfe. Sollte Italien aber wagen, 
seine Flotte in Tätigkeit zu setzen, 
so würde es in kurzer Frist stür- 
missee- Wetter im Mittelmeer 
9 en.“ 
  
„Times“ 
vom 27. Oktober 1914: 
„Zweifellos haben die Deutschen 
zu dieser Stunde etwas über die 
Bedeutung von Bündnissen ge- 
lernt. Es war Preußens Gewohn- 
heit, jeden und alles seinen selbst- 
süchtigen Interessen zu opfern, und 
dieser Krieg war keine Ausnahme 
von der Regel. Preußen sah ruhig 
zu, wie die Oesterreicher erdrückt 
wurden, und anstatt Dankl und 
Auffenberg zu unterstützen, nutzte 
es alle seine Kräfte, um Ostpreußen 
von den Russen zu säubern. 
Oesterreich wurde ein Opfer der 
verkehrten deutschen Strategie und 
mußte als ein sklavisches Werkzeug 
in den Händen der Deutschen ein 
Dutzend seiner besten Generale ent- 
lassen. 
Deutschland hat sich die Kon- 
trolle auf dem östlichen Kriegs- 
schauplatz angemaßt und wird so- 
lange wie möglich fortfahren, 
preußische Interessen mit österrei- 
chischen Truppen zu verteidigen. 
Die jammervolle Doppelmonar= 
chie ist an den „preußischen“ 
Kriegswagen eschmiedet (Lhe 
wretscheo Dual-Monarchy is being 
dragged at the tail of the Prussian 
War chariot), und wenn die Oester- 
reicher Preußens Zwecken gedient 
haben, wird man sie ihrem Schick- 
sal überlassen.“ 
  
  
  
  
Kommentar überflüssig! — Wir wollen nur bemerken, daß uns ein 
Wort „wretched“ (jammervoll) zum mindesten nicht sehr höflich er- 
scheint; es steht aber in vollem Einklang mit der Tonart der gesamten
	        
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