Full text: Völkerrechtliche Okkupation und deutsches Kolonialstaatsrecht.

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zum Erwerbe staatlicher Gewaltrechte ab und erklärt man die 
durch Okkupation völkerrechtlich herrenlosen Gebietes für Privat- 
personen begründeten Rechte für blosse Privatrechte, so können 
diese Rechte nicht über Nacht den Charakter einer öffentlich 
rechtlichen Herrschaft dann annehmen, wenn eine souveräne Staats- 
gewalt durch Cession an Stelle der bisherigen Rechtsinhaber tritt. 
Sol die Annahme der Cession und die Ratihabition der bis 
dahin nur privatrechtlich beurtheilten Okkupation „ein bisheriges 
Privatrechtsverhältniss zu einer Öffentlich-rechtlichen Herrschaft 
umgestalten“ (v. HOLTZENDORFF), so könnte dies nur dadurch 
erreicht werden, dass die genehmigende souveräne Regierung 
jetzt erst ihrerseits den für die Privaten unmöglichen, den 
Gebietshoheitserwerb vermittelnden Okkupationsakt nachholt. 
Solchen Falls kann aber nicht von Umwandlung eines be- 
stehenden Rechtsverhältnisses gesprochen werden, sondern zu dem 
nach wie vorher vorhandenen Privatrechtsverhältniss hinzu wird 
erst ein bisher nicht vorhandenes öffentliches Rechtsverhältniss 
geschaffen. 
Doch erweist sich eine derartige Konstruktion unrichtig, weil 
die Völkerrechtspraxis nicht nach derselben gehandelt hat. Wo 
hätte eine europäische Macht sich bemüssigt gefunden, in Ge- 
bieten, in welchen Privatpersonen bereits Okkupationshandlungen 
vorgenommen hatten und für welche sie die Herrschaftsübernahme 
durch jene anriefen, nochmals den Okkupationsakt zu vollziehen? 
Die Hoheitsrechte, welche deutsche Kaufleute in Afrika durch 
Vertragsschluss mit Häuptlingen erworben hatten, erkannte die 
Reichsregierung bei Uebernahme der Schutzherrschaft als zu 
Recht bestehend an®), und nur da liess die deutsche Reichs- 
regierung durch bevollmächtigte Organe Okkupationsakte vor- 
#, Vgl. die Denkschrift, in den Annal. 8.487: Am 19. August ver- 
kaufte der Topnaar Häuptling... an Lüderitz die Hoheitsrechte über sein 
Gebiet... Am 23. November 1884 erkannte der Generalkonsul Dr. NAcHTIeAL 
im Namen des deutschen Reiches diese Abtretung an.