Full text: Völkerrechtliche Okkupation und deutsches Kolonialstaatsrecht.

nehmen, bezw. Verträge schliessen, wo solche von privaten Reichs- 
angehörigen noch nicht vorgenommen, bezw. geschlossen waren. 
Uebereinstimmend behaupten G. MxEYER und v. STENGEL 
desshalb richtig, dass durch die Uebernahme der Schutzherrschaft 
die von den privaten Einzelpersonen und Gesellschaften schon 
vorher besessenen Hoheitsrechte auf das deutsche Reich über- 
tragen und demselben abgetreten worden sind°®). 
Ein innerer Widerspruch der älteren Doktrin liegt meines 
Ermessens auch desshalb vor, weil sie andererseits doch die 
Möglichkeit der Staatengründung durch Privatpersonen einräumt. 
Wie sollte sich die Staatengründung seitens Privater in über- 
seeischen Gebieten ®) anders vollziehen können, als dass die 
Gründer im Wege der Okkupation die staatliche Herrschafts- 
gewalt bethätigen und immer intensiver ausprägen? Zufolge ihrer 
thatsächlichen Macht werden sie sich auch das Recht beilegen, 
im Innern eine Rechtsordnung und Rechtspflege zu schaffen und eine 
mehr oder minder ausgedehnte staatliche Verwaltungsthätigkeit zu 
entfalten. Nach Aussen werden sie mit dem Rechtsanspruche auf- 
treten, dass die Unabhängigkeit und das Selbstbestimmungsrecht 
des neugegründeten Staatswesens geachtet und demselben die 
völkerrechtliche Anerkennung zu Theil werde. Auf dem Umwege 
der Staatengründung wären doch Privatpersonen als Subjekte des 
Gebietshoheitserwerbes zugelassen. 
II. Aber freilich soll die Staatenbildung sich nicht unter dem 
Schutze, sondern ausserhalb des Völkerrechtes vollziehen, soll 
der als möglich zugestandene Gebietshoheitserwerb 
seitens Privater stets unter dem Gesichtspunkte der 
se) Meyer S. 155, v. STENGEL 8. 54. 
%) Gegen diese von Twıss beliebte Beschränkung der ganzen Streitfrage 
in territorialer Hinsicht erklären sich HEIMBURGER und SaLomon 8. 130. Doch 
dürfte Gebietshoheitserwerb durch Private innerhalb Europas geradezu eine 
Unwahrscheinlichkeit für die Zukunft bilden, wie er für die Gegenwart eine 
rechtliche Unmöglichkeit darstellt.